Die norwegische Kinderliteratur ist vielfältig, einfallsreich, unabhängig und autonom.
Die ersten norwegischen Kinderbücher wurden im späten 18. Jahrhundert geschrieben. Ende des 19. Jahrhunderts erreichte die norwegische Kinderliteratur ein Goldenes Zeitalter, und in der Nachkriegszeit schrieben Thorbjørn Egner, Anne Cath. Vestlyund Alf PrøysenKinderbücher, die bis heute Bestand haben. Die Räuber von Kardemomme (1955), die Knorzel-Romane (1962-2001) und die Geschichten über Frau Pepperpott (ab 1957) sind traditionelle Bücher für Kinder, in denen die Sicherheit des Kindes von zentraler Bedeutung ist. Dabei ist aber immer klar, dass kleine Menschen auch Großartiges vollbringen können.
In den letzten Jahren ist die norwegische Kinderliteratur regelrecht aufgeblüht. Im Jahr 2017 wurden 391 neue norwegische Bücher für Kinder und Jugendliche veröffentlicht. Und es werden mehr Autoren übersetzt als je zuvor. Einer der international anerkanntesten norwegischen Kinder- und Jugendbuchautoren ist Jostein Gaarder.Im Jahr 1995 war sein Roman Sofies Welt (1992) das weltweit meistverkaufte Buch im belletristischen Bereich. Es wurde in 60 Sprachen übersetzt und über 40 Millionen Mal verkauft. Mit dem Erfolg von Sofies Welt gelang der norwegischen Literatur der internationale Durchbruch.
Nach dem Jahrtausendwechsel hat Maria Parr die Herzen der norwegischen und der internationalen Leser mit ihren drei Büchern im Sturm erobert: Waffelherzen an der Angel (2005), Sommersprossen auf den Knien (2009) und Keeperen og havet (dt.: Der Torwart und das Meer) (2017). Die Bücher zeichnen sich durch eine große Portion Humor, Kinder voller Tatendrang als Protagonisten, ernste Themen und stabile Erwachsenenfiguren aus. Parr wird oft mit der Schwedin Astrid Lindgren verglichen.
Ein weiterer erfolgreicher Kinderbuchautor ist Jo Nesbø,weltberühmt für seine Krimis. Seine Kinderbücher über Doktor Proktor, Lise und Bulle können ebenfalls große Erfolge verbuchen.
Im Jahr 2013 rief der Nordische Rat einen Literaturpreis für Kinder- und Jugendliteratur ins Leben, um dieses Genre zu fördern. 2014 ging der Preis an das Duo Håkon Øvreås und Øyvind Torseter für Super-Bruno (2013). Das Buch wurde international sehr gelobt, erhielt in Deutschland den Luchs des Jahres und in den Niederlanden den Zilveren Griffel. Zudem kam es in China auf die Top-10-Liste der von Lehrern empfohlenen Bücher. Tagsüber ist der Protagonist aus Super-Bruno Bruno, nachts wird er zu Brauno, einem Superhelden, der vor nichts Angst hat. Ausgerüstet mit einem Pinsel und einem Eimer brauner Farbe schleicht er nachts hinaus und malt die Fahrräder der älteren Jungs, die ihn ärgern, an. Super-Bruno ist ein Buch über Freundschaft, Mut und über das Zu-sich-selbst-Stehen. Super-Bruno ist der erste Band einer Trilogie, gefolgt von Super-Matze (2015) und Super-Laura (2018).
Øyvind Torseter, der Illustrator von Super-Bruno, nimmt eine wichtige Rolle im Bereich der norwegischen Bilderbücher ein, einem Genre im ständigen Wandel. Dank Torseters Arbeit erhielten mehrere Bilderbücher eine Auszeichnung. Sein berühmter Eselsjunge Hans ist die Hauptfigur mehrerer Veröffentlichungen. Für das Buch Avstikkere(dt.: Umwege) (2007) erhielt er 2008 den prestigeträchtigen Bologna Ragazzi Award in der Kategorie Erzählliteratur.
Ein Jahr zuvor gewann den Preis ein anderer bedeutender Norweger, nämlich niemand Geringeres als der Bilderbuchkünstler Stian Hole– für sein Buch Garmans Sommer (2006). Das Erfolgsrezept seiner Bücher ist die fesselnde, poetische Leichtigkeit, mit der er die großen Fragen des Lebens äußert kreativ behandelt. Dank seiner Arbeit wurden Veröffentlichungen wie Den gamle mannen og hvalen (dt.: Der alte Mann und der Wal) (2005), die Garman-Serie (2006-2010), Annas Himmel (2013) und Morkels Alphabet (2015) von Kritikern sehr gelobt.
Eine weitere bedeutende Bilderbuchkünstlerin ist Lisa Aisato. Ihrem magischen und einzigartigen Stil verdankt sie es, dass sie zu den beliebtesten Künstlern in Norwegen zählt. Im Jahr 2015 wurde sie von der angesehenen norwegischen Zeitung Morgenbladetals eine der besten norwegischen Künstlerinnen und Künstler unter 35 Jahren bezeichnet.
Ihren großen Durchbruch im Ausland hatte sie mit der Illustration des Buches Das Mädchen, das die Bücher retten wollte (2017), geschrieben von Klaus Hagerup. Bis jetzt wurden Übersetzungsrechte in 22 Sprachen verkauft.
Das Genre Jugendroman erhält zunehmend Aufmerksamkeit aus dem Ausland, insbesondere seit Jostein Gaarders Erfolg mit Sofies Welt. Ein weiteres Jugendbuch, für etwas ältere Leser, für das viele Auslandslizenzen verkauft wurden, ist Johan Harstads Schauergeschichte Darlah (2008). Diese gruslige Science-Fiction-Story handelt von drei gewöhnlichen Jugendlichen, die eine Reise zum Mond gewinnen, wo sie 172 Stunden verbringen sollen. Schon bald heißt es: Werden sie lebend zurückkommen? Im Jahr 2014 wurde Darlah in einer der größten norwegischen Zeitungen von einer Expertenjury zum besten norwegischen Jugendbuch aller Zeiten erklärt.
Ein wichtiges Genre der Jugendliteratur ist Fantasy. In diesem Bereich hat Siri Pettersen bedeutende internationale Anerkennung erhalten. Ihre Trilogie Die Rabenringe spielt teilweise in unserer Welt und teilweise in einem mythischen nordischen Universum. Odins Tochter Hirka, die Hauptfigur aus Die Rabenringe, hat Anhänger weltweit.
Krimis und Thriller für Kinder sind ebenfalls ein beliebtes Genre. In dieser Sparte sind Bjørn Sortland und Jørn Lier Horstmit ihren Serien für Kinder und Jugendliche erfolgreich.
Im Bereich Sachbuch sind Marta Breen und die Illustratorin Jenny Jordahl zu nennen. Sie hatten kürzlich ihren großen internationalen Durchbruch mit Kvinner i kamp (dt.: Frauen im Kampf) (2018). Lizenzen für das Buch wurden in 17 Länder verkauft. Es stellt den Kampf der Frauen in den letzten 150 Jahren in Cartoonform dar und war ein Hit sowohl bei jungen als auch bei etwas älteren Lesern.
Kinder- und Jugendliteratur genießt in Norwegen einen hohen Stellenwert. Auch viele angesehene Romanautoren schreiben für Kinder. Somit entstehen Bücher von hoher Qualität für Jugendliche. Und es wird sichergestellt, dass das junge Publikum Zugang zu zahlreichen Ausdrucksformen in unterschiedlichen Genres erhält. Das ist zugleich ein Sinnbild für die Vielfalt der norwegischen Literatur insgesamt.