Die Übersetzerstafette: Thorsten Alms

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Interview

In der zwölften Runde geht unsere Übersetzerstafette an den sympathischen Übersetzer Thorsten Alms, der Werke aus vier Ländern und drei Sprachen übersetzt. Im Interview spricht er unter anderem darüber wie es war, Simon Strangers aktuellen Roman "Vergesst unsere Namen nicht", der auf wahren Begebenheiten basiert und achtzig Jahre Geschichte umfasst, zu übersetzen.

Thorsten Alms. Foto: Privat

Den Übersetzern und ihrem hervorragenden Einsatz ist es zu verdanken, dass norwegische Literatur heute so erfolgreich in die Welt hinausgetragen werden kann. Um Licht auf ihre anspruchsvolle Arbeit zu werfen, haben wir eine Interviewreihe gestartet, in der wir Übersetzer und Übersetzerinnen, die aus dem Norwegischen ins Deutsche übersetzen, besser kennenlernen.

Geboren und aufgewachsen ist Thorsten Alms (1966) in der Lüneburger Heide. Nach dem Abitur absolvierte er ein Studium der Skandinavistik, Geschichte und Sprachwissenschaft in Bonn und Lund. Seit 2003 ist er als literarischer Übersetzer aus dem Schwedischen, Finnlandschwedischen, Dänischen und Norwegischen tätig. Im Augenblick ist er im Dänischen unterwegs und übersetzt Agnete Friis „Ein Sommer mit Ellen“. Der Roman wird 2020 bei Eichborn erscheinen.

Lieber Throsten, wann haben Sie sich entschieden und was hat sie dazu motiviert Bücher zu übersetzen?

Das war ein längerer und auch zufälliger Prozess. Die Leidenschaft für Literatur war schon immer da. Ich hatte direkt nach dem Studium ein Buch übersetzt und sehr viel Spaß dabei gehabt, danach aber ein paar Jahre in den neuen Medien gearbeitet. Als die Firma in der Krise zumachte und sich die Möglichkeit bot, ein weiteres Buch zu übersetzen, machte ich den Schritt in die Selbständigkeit.

Welches Genre übersetzen Sie am liebsten?

Das Wichtigste ist die Abwechslung. Zu Beginn habe ich sehr viel Kriminalliteratur übersetzt, aber zum Glück ist es mittlerweile eine bunte Mischung aus Spannungsliteratur, Romanen, gediegenem Horror und Sachbüchern geworden – dazu noch aus vier Ländern und drei Sprachen, was einen auch ganz gut auf Trab hält. Abgesehen davon muss ich zugeben, dass ich eine gewisse Schwäche für zeitgenössische Familienromane habe, da fängt für mich der wahre Gruselgenuss an.

Bekommen Sie nicht manchmal Lust ein eigenes Buch zu schreiben?

Ständig und nie. Als Übersetzer schaue ich ja tief in den Werkzeugkasten der Literatur und sehe, wie es gemacht wird (und gelegentlich auch, wie man es nicht machen sollte). Das ist die Versuchung in die eine Richtung. Andererseits spürt man auch, wie viel Arbeit und manchmal auch Qual dahintersteckt. Als Übersetzer arbeite ich zwar auch allein, aber gewissermaßen im Dialog mit dem Autor. Der seinerseits ist beim Schreiben tatsächlich nur auf sich selbst zurückgeworfen. Also dann: eher nein.

2019 haben Sie für den Eichborn Verlag Simon Strangers Vergesst unsere Namen nicht übersetzt. Strangers Buch ist ein auf wahren Begebenheiten basierender Roman, der achtzig Jahre Geschichte und vier Generationen umfasst. Es ist eine Erzählung über die Geschichte der Judenverfolgung in Norwegen während des Zweiten Weltkrieges. Was macht den Roman für Sie besonders und worin lag die Herausforderung in der Übersetzung?

Das Besondere ist sicherlich der Aspekt, dass in ein und demselben Text die Opfer und der Täter die gleiche Aufmerksamkeit und sogar Einfühlsamkeit bekommen. Es ist ein ziemlich schmaler Grat, diese Konstruktion so zu gestalten, dass die Täterperspektive nicht plötzlich das Übergewicht bekommt. Als Übersetzer muss man da natürlich sehr aufmerksam arbeiten, um diese Balance zu bewahren.

In technischer Hinsicht war es natürlich eine Herausforderung, dass die Vorlage alphabetisch nach Stichworten geordnet war, allerdings nicht ganz so streng wie ein Lexikon. Da muss man an der Struktur ein bisschen herumschieben, der Punkt „L wie Liebe“ muss beispielsweise vom Kapitel „K“ (kjærlighet) ins Kapitel „L“ wandern, oder Z,Æ, Ø und Å müssen sich alle unter „Z“ versammeln. Mit ein bisschen Assoziieren und drüber Schlafen konnte ich in den meisten Fällen einen passenden deutschen Begriff finden, aber manchmal habe ich auf der Suche nach dem richtigen Wort auch den Duden unter einem bestimmten Buchstaben durchgelesen.

Der norwegische Autor Simon Stranger. Foto: André Løyning

Ihre Übersetzerkollegin Ebba D. Drolshagen, die Ihnen den Staffelstab weiterreicht, haben Sie mit Ihrer Arbeit an Simon Stranges Werk schwer beeindruckt. Sie möchte gerne von Ihnen wissen: "Wie konntest Du bei der Arbeit an Stranger zwischen Dir und den wirklich harten Folterszenen Distanz schaffen? Und da Deine Hauptsprache (soweit ich weiß) Schwedisch ist: Wie bleibst Du an der norwegischen Sprache dran? (Und außerdem, ganz unter uns: Sehen wir uns im Oktober in Frankfurt? Und kommst du mal zum großen Treffen der deutschsprachigen Übersetzer nach Wolfenbüttel?)"

Es ist wirklich kaum erträglich, wenn man es liest. Aber gerade weil es sich um reale und dokumentierte Vorgänge handelt, geht es später beim Übersetzen darum, sehr genau zu arbeiten, um auch den Opfern und der historischen Wahrheit gerecht zu werden. Diese Spannung zwischen Empörung und nüchterner Darstellung treibt ja auch das Buch selbst an.

Was das Sprachliche betrifft, habe ich von Anfang an nie einen Unterschied zwischen den drei großen Sprachen gemacht und mich mit gleichem Eifer durch die dänische, norwegische und schwedische Literaturgeschichte gefressen (auch heute noch, soweit es die Zeit noch zulässt). Das hält bis jetzt ganz gut. Es sind dann eher kulturelle Eigenheiten, bei denen ich landeskundige Gewährsleute manchmal um Rat fragen muss.

Und zu deinen anderen Fragen: Ja, wir sehen uns sicher auf der Buchmesse (ich bin auf jeden Fall auf der Eröffnungszeremonie mit dabei) und hoffentlich auch bald in Wolfenbüttel!

Was machen Sie, wenn Sie gerade mal nicht an Übersetzungen arbeiten?

Familie, Reisen, Museen, Lesen (nach dem Lustprinzip).

Welches norwegische Buch sollte jeder deutsche Literaturenthusiast gelesen haben?

Da empfehle ich jedem die Werke von Kjell Askildsen, hochdosierte Literatur, die es demnächst in Deutschland auch als Vorratspackung (übersetzt von Hinrich Schmidt-Henkel, Luchterhand) gibt.

Gibt es eine Begegnung/ ein Ereignis auf die Sie sich im Hinblick auf die Frankfurter Buchmesse 2019 besonders freuen?

Simon Stranger kommt auf Lesereise, ihn werde ich auf jeden Fall treffen, und ansonsten lasse ich mich von weiteren Begegnungen überraschen (gerne auch mit anderen Staffelträgern)!

An welchem Kollegen / welche Kollegin möchten Sie die Übersetzerstafette weiterreichen und was möchten Sie gerne von ihm / ihr wissen?

Die Stafette gebe ich weiter an Elke Ranzinger, die unter anderem mit den Büchern von Helga Flatland Eine moderne Familie (Weidle Verlag) und Merethe Lindstrøms Tage in der Geschichte der Stille (Matthes & Seitz) aktuell ist. Da ich, wie gesagt, Familienromane sehr mag, lautet meine erste Frage: Was reizt Dich an dieser Art von Literatur? Und da Du seit langem auch am Theater tätig bist, was kannst Du von dort in die Übersetzungsarbeit mitnehmen?

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