Die Übersetzerstafette: Ebba D. Drolshagen

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Interview

In der elften Runde geht unsere Übersetzerstafette an die Übersetzerin und ausgezeichnete Norwegenkennerin Ebba D. Drolshagen! 2019 erscheint eine Neuauflage ihrer beliebten "Gebrauchsanweisung für Norwegen" im Piper Verlag. Was ihr beim Verfassen des Buches am meisten Freude bereitet hat und worauf Sie sich im Hinblick auf die Buchmesse im Oktober ganz besonders freut, verrät uns die sympathische Übersetzerin im Interview.

Ebba D. Drolshagen. Foto: Karen Nölle

Den Übersetzern und ihrem hervorragenden Einsatz ist es zu verdanken, dass norwegische Literatur heute so erfolgreich in die Welt hinausgetragen werden kann. Um Licht auf ihre anspruchsvolle Arbeit zu werfen, haben wir eine Interviewreihe gestartet, in der wir Übersetzer und Übersetzerinnen, die aus dem Norwegischen ins Deutsche übersetzen, besser kennenlernen.

Sie übersetzt nicht nur norwegische Literatur in verschiedene Genres, sondern ist auch Autorin mehrerer Sachbücher. Ebba D. Drolshagen ist aktuell mit ihrer beliebten Gebrauchsanweisung für Norwegen, die eine unterhaltsame Einführung in Land und Leute gibt. In Verbindung mit Norwegen als Ehrengast der Frankfurter Buchmesse wurde das Buch dieses Jahr vom Piper Verlag in einer neuen und aktualisierten Ausgabe veröffentlicht. Darüber hinaus hat Ebba einen literarischen Reiseführer durch Oslo übersetzt, der von Erik Fosnes Hansen verfasst wurde und diesen Herbst auch anlässlich des norwegischen Gastlandjahres veröffentlicht wird. Ebenfalls im Frühjahr erschien Ebba D. Drolshagens Übersetzung von Mona Høvrings Was helfen könnte (edition fünf), die viel positive Beachtung fand. Im September wird ein weiterer Titel von Mona Høvring, in Übersetzung von Ebba D. Drolshagen erscheinen: Weil Venus bei meiner Geburt ein Alpenveilchen streifte (Edition Nautilus).

Liebe Ebba, wann haben Sie sich entschieden und was hat Sie dazu motiviert Bücher zu übersetzen?

Das ist eine sehr unglamoröse Geschichte, denn ich habe mich nie wirklich entschieden zu übersetzen. Nach dem Studium habe ich ein amerikanisches Sachbuch gelesen, das mich stürmisch begeisterte. Da sagte eine Freundin, die damals für Suhrkamp übersetzte: "Dann musst du es übersetzen." Also bot ich es Suhrkamp an, die haben es tatsächlich genommen. Es kam ein weiterer Auftrag, so ging es einfach immer weiter. Ich bin überzeugt, dass das vielen Übersetzerinnen und Übersetzern meiner Generation so gegangen ist: Wir sind da zufällig rein gestolpert und haben dann gemerkt, dass es das Richtige für uns ist.

Wo arbeiten Sie für gewöhnlich an den Übersetzungen?

An meinem Schreibtisch. Ein- oder zweimal im Jahr wohne ich ein paar Wochen lang woanders, dort sitze ich dann meist mit meiner Reiseschreibmaschine (ein kleines MacBook) an einem Esstisch. Buch-Recherche, die immer noch oft zur Arbeit gehört, immer im Sessel oder auf dem Sofa.

Ebba D. Drolshagens Arbeitszimmer. Foto: Ebba D. Drolshagen

Worauf achten Sie bei der Auswahl der Bücher, deren Übersetzung sie übernehmen?

Viele Jahre lang hatte ich nicht wirklich die Wahl, was ich übersetzen wollte. Das war mein Beruf, ich musste meine Miete bezahlen. Nun habe ich allerdings die glückliche Gabe, fast allem, mit dem mich eingehender beschäftige, etwas Interessantes abzugewinnen. Gelangweilt habe ich mich also nie, gelitten äußerst selten. In den letzten Jahren hatte ich das Glück, fast nur Bücher zu übersetzen, die ich auch sprachlich und literarisch reizvoll fand – zum Beispiel zwei Romane der wunderbaren Mona Høvring.

Dieses Jahr erscheint eine Neuauflage Ihres populären Reiseführers „Gebrauchsanweisung für Norwegen“ (Piper Verlag). Wie kam es dazu, dass Sie dieses Buch geschrieben haben?

Die Gebrauchsanweisung ist kein Reiseführer, sondern will Norwegen und die Norweger eben nicht als Tourismusziel vorstellen. Denn genau das war meine Motivation für das Buch: Ich war es einfach unglaublich leid, immer nur zu hören, wie toll die Mitternachtssonne ist, wie fantastisch die Fjorde. Je häufiger ich das hörte, umso mehr musste ich mich zurückhalten, nicht loszubrüllen: Es gibt da noch ein Land! Da wohnen auch Menschen! Es war für mich eine große, einmalige Chance, dass Piper mir anbot, in ihrer Reihe "Gebrauchsanweisung für… " über Norwegen zu schreiben. Es ist mein mit Abstand erfolgreichstes Buch.

Wie haben Sie so gute Einblicke in die norwegische Gesellschaft bekommen?

Eine weitere glückliche Gabe, die ich mitbekommen habe, ist, dass ich mich oft bei etwas, das ich sehe, höre, lese, frage: „Und wieso?“. Ein Beispiel: Als Kronprinz Haakon im Jahr 2000 bei einer Pressekonferenz dem Land seine Zukünftige vorstellte, über deren bisheriges Leben ja dieses und jenes gemunkelt wurde, wirkte die neben ihm sitzende Mette-Marit dermaßen zerknirscht und kernseifengeschrubbt, dass in mir sofort das Bild der reuigen Sünderin aufstieg, die vor der Gemeinde Umkehr gelobt. Da habe ich mich nochmal in Norwegens protestantische Geschichte gekniet und festgestellt, dass man vieles in diesem Land nicht begreifen kann, wenn man von dieser starken Prägung keine Ahnung hat.

Außerdem habe ich in Norwegen gebildete, intelligente, wohlmeinende Freundinnen und Freunde, die geduldig meine Fragen beantworten und auch mal von sich aus die Zügel anziehen, wenn ich blumigen Unsinn verkünde.

Welches Kapitel haben Sie besonders gerne geschrieben und wieso?

Ehrlich gesagt ist jedes Kapitel im Buch mein Lieblingskapitel (mit Ausnahme des Musikteils, denn davon verstehe ich weniger als nichts). Aber das Trachtenkapitel ist für mich besonders, das zeigt sich schon daran, dass es eines der längsten Kapitel ist.

Ich habe zu den norwegischen Trachten, die Bunad heißen, ein ambivalentes Verhältnis. Einerseits sind sie kleidsam und ich weiß die oft wunderbaren Stickereien sehr zu schätzen. Andererseits finde ich es merkwürdig, dass es im reichsten Land der Welt ein (nicht immer eingelöstes) Ideal ist, dass Frauen ihre Festkleidung Stich für Stich selbst herstellen. Inzwischen ist eine Bunad nahezu ein Muss, etwa 70 % der Norwegerinnen (und immer mehr Männer) besitzen eine oder gar mehrere – und das, obwohl Bunads 40.000 Kronen kosten können, oft mehr, oft viel mehr. Es gibt über 400 verschiedene Trachten, wer eine tragen möchte, muss sich also entscheiden, welcher Gegend sie sich selbst zuordnet. Nach außen signalisieren alle Trachtenträgerinnen: Ich bin Norwegerin. Im Land aber beantwortet die gewählte Bunad eine Frage, die für alle Norweger ungeheuer wichtig ist: Woher kommst du eigentlich?

Wenn Sie einen besonders unterhaltsamen „Fun Fact“ über Norwegen oder die Norweger hervorheben müssen, welcher wäre das?

Die Königin der Fun Facts über Norwegen ist eigentlich meine Kollegin Gabriele Haefs. Aber gut, hier vier Fakten, mit denen man Deutsche verblüffen kann:

  • An Ostern essen die Norweger 35 Millionen Apfelsinen und Clementinen.
  • In den Tagen vor Ostern ist jedes zweite verkaufte Buch ein Krimi.
  • 30 % aller erwerbstätigen Norweger arbeiten im öffentlichen Dienst.
  • Auf vielen Zugstrecken haben Lokführer ein Gewehr im Führerhaus, um Elche oder Rentiere erschießen zu können, die bei Unfällen mit dem Zug verletzt wurden.

Ihr Übersetzerkollege Hinrich Schmidt-Henkel, der Ihnen den Staffelstab weiterreicht, ist ein großer Bewunderer Ihrer Arbeit und Ihrer Persönlichkeit. Er möchte gerne von Ihnen wissen, wie Ihre sprachliche Zweibeinigkeit aussieht und welche Rolle sie in Ihrem Leben und in Ihrer Arbeit spielt.

Norwegisch war die erste Sprache, die ich gelernt, aber auch die erste, die ich wieder vergessen habe, denn ich bin in Deutschland geboren, aber kam mit einem Jahr nach Norwegen. Als ich mit fünf Jahren nach Deutschland zurückkam, sprach meine norwegische Mutter mit mir nur Deutsch, Norwegisch schien binnen Wochen vergessen. Einige Jahre später fuhr ich allein zu meinen Großeltern, die kaum Deutsch konnten, und da war es plötzlich wieder, das Norwegisch meiner Kindheit. Von da an plapperte ich munter im schweren Ålesund-Dialekt einer Fünfjährigen – was mir allerdings erst klar wurde, als ich mit Anfang Zwanzig an der Uni Literaturkurse in Norwegisch belegte. Dort begann ich, ein ”erwachsenes” Norwegisch zu lernen. Aus den ersten Jahren geblieben ist, dass ich ein vage muttersprachiges Gefühl für die Sprache habe und mein deutscher Akzent nur schwach ausgeprägt ist.

Angesichts dieser Geschichte komme ich mir gar nicht so „zweibeinig“ vor (auch wenn ich meine Magisterarbeit über das Gehirn der Zweisprachigen geschrieben habe!). Doch dann schaue ich mich unter meinen Kolleginnen und Kollegen um, sehe, dass nahezu alle die Sprache spät und als Fremdsprache gelernt haben, und merke, dass mich das verblüfft. So komme ich mir auf die Schliche: Für mich gilt das nicht. Norwegisch gehört seit jeher so selbstverständlich zu mir wie Deutsch. Nur eben ein bisschen anders.

An welchem Kollegen / welche Kollegin möchten Sie die Übersetzerstafette weiterreichen und was möchten Sie gerne von ihm / ihr wissen?

An Thorsten Alms. Wir kennen uns nicht persönlich, mehr noch: Ich wusste nichts von einem Kollegen dieses Namens, was zum einen daran liegen mag, dass seine Hauptsprache Schwedisch ist, zum anderen daran, dass wir uns bisher bei keinem Übersetzertreffen begegnet sind. Thorsten geriet erst in mein Blickfeld, als ich Simon Strangers Buch Leksikon om lys og mørke las (Vergesst unsere Namen nicht, Bastei Lübbe) und mich bei vielen Stellen fragte, wie das wohl ins Deutsche kommen könnte. Der Eichborn-Verlag schickte mir seine Übersetzung, ich begegnete Thorstens Arbeit – mit so vielen schönen, souveränen Lösungen, dass ich das Buch auf Deutsch noch einmal gelesen habe.

Ich habe zwei Fragen an Thorsten: Wie konntest Du bei der Arbeit an Stranger zwischen Dir und den wirklich harten Folterszenen Distanz schaffen? Und da Deine Hauptsprache (soweit ich weiß) Schwedisch ist: Wie bleibst Du an der norwegischen Sprache dran? (Und außerdem, ganz unter uns: Sehen wir uns im Oktober in Frankfurt? Und kommst du mal zum großen Treffen der deutschsprachigen Übersetzer nach Wolfenbüttel?)

Gibt es eine Begegnung/ ein Ereignis auf die Sie sich im Hinblick auf die Frankfurter Buchmesse 2019 besonders freuen?

Als offiziell verkündet wurde, dass Norwegen 2019 Buchmessengastland werden würde, überraschte mich die Heftigkeit meiner Reaktion: Es hätte nicht viel gefehlt und ich wäre in Tränen ausgebrochen. Denn auf den Gastlandauftritt haben alle, die schon lange aus dem Norwegischen übersetzen, ungeduldig gewartet. Margit Walsø und das kleine NORLA-Team haben das vor Jahren in Angriff genommen, das inzwischen etwas größere NORLA- und das Norwegen2019-Team stemmen nun gemeinsam ein gewaltiges Projekt. Ich weiß schon jetzt, dass es eine spektakuläre Messe und ein jubelnder Erfolg werden wird.

Das Wunderbare für mich ist nicht eine Person hier oder ein Termin dort – das Wunderbare ist, dass mein Norwegen, mein Literatur-Norwegen, in meine Stadt kommt.

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