Zurück ans Lagerfeuer

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Geschrieben von Vebjørn Rogne, BOK365

Der verspielte Ingvar Ambjørnsen lässt uns wieder auf seine Romanfigur Elling treffen – und auf einen hässlichen Hund und eine kluge und hungrige Katze.

Ingvar Ambjørnsen, Foto: Marie Sjøvold

Heutzutage spiele ich mehr als früher. Es macht wirklich Spaß, gleichzeitig an verschiedenen Projekten zu arbeiten“, sagt Ingvar Ambjørnsen.

In diesem Frühjahr zeigt sich die Vielfalt seines Schaffens in aller Deutlichkeit. Wieder erscheinen zwei seiner Bücher auf Deutsch: In Echo eines Freundes (Edition Nautilus) treffen wir noch einmal auf eine seiner beliebten Figuren, auf den mittlerweile 58-jährigen Elling. Und im Kinderbuch Samson und Roberto. Sommer, Sonne, wilde Gäste (dtv) auf einen hässlichen Hund namens Samson und den ständig hungrigen Kater Roberto, die gemeinsam die Ferienpension Fjordlicht betreiben.

Beide Bücher wurden von seiner langjährigen Partnerin und Ehefrau Gabriele Haefs ins Deutsche übersetzt.

Eine unheimliche Entwicklung

Nichtsdestotrotz scheint sich in der Presse ein Bild von Ingvar Ambjørnsen zu halten, dem entsprechend er sein ganzes Leben lang nur vor der Tastatur hockt und dabei „Joints raucht und massenweise Rotwein in sich hinein kippt“, um mal bei seinen eigenen Worten zu bleiben.

„Ich stehe auch morgens früh auf und schreibe sehr diszipliniert“, betont Ambjørnsen.

„Ich bin wirklich froh, dass viele meiner Interviews gemacht wurden bevor das Internet kam. Das ist dann so, als ob sie nie stattgefunden hätten“, sagt Ambjørnsen. „Heute ist mir regelrecht unheimlich. Ich achte nun viel mehr darauf, was ich auf Facebook poste, worüber ich blogge und was ich in Interviews sage. Macht man etwas falsch, kommt die ganze Meute an und will dich zerfetzen. Sich darauf zu berufen, gekränkt worden zu sein – ob es nun um einen selbst oder um andere geht – ist dort draußen sehr verbreitet. Alle wollen so politisch korrekt sein und man will Sachen bewusst falsch verstehen. Das ist eine sehr gefährliche Entwicklung, besonders wenn es Leute trifft, die auf so etwas nicht vorbereitet sind. Das kann einen Menschen kaputt machen“, so Ambjørnsen.

Es sollte erwähnt werden, dass Ambjørnsen selbst in seinen schwierigsten Jahren ein ungeheuer produktiver Autor war. Ab Mitte der 80er Jahre erschienen von Ambjørnsen jedes Jahr zwei Bücher:

„Ich saß zu Hause und schrieb und schrieb. Ich habe im Frühjahr ein Kinder- oder Jugendbuch und im Herbst einen Roman herausgebracht – oder umgekehrt. Das lief so die nächsten zehn Jahre lang, wie am Schnürchen.“ Nicht nur wurden die Bücher herausgebracht, sondern auch wirklich gut verkauft. Der letzte Deal und Weiße Nigger, die Elling-Bücher, die Peter-und-der-Prof-Serie – Ambjørnsen hatte einen sagenhaften Erfolg.

„Ich hatte Glück. Das waren gute Jahre für Autoren. Jedes Mal, wenn ich mit einem neuen Buch kam, entweder mit einem Roman oder mit einem Buch über Peter und der Prof, gab es ein großes Presseaufgebot und Schlagzeilen auf den Titelseiten der Zeitungen“, sagt Ambjørnsen. „Heute ist es viel härter, wenn man vom Bücherschreiben leben will.“

Back to basics

Nun beschreitet Ambjørnsen neue Wege. Hörbücher sind bekanntlich in wie nie zuvor. Ambjørnsen geht aufs Ganze: Er war auf Lesereisen und hat neue Abschnitte aus einem Elling-Buch vorgelesen, das bisher lediglich im Kopf des Autors existiert und noch nicht zwischen zwei Buchdeckel gepresst wurde. Elling ist jetzt Blogger. Das Publikum liebt ihn und strömt zu den Lesungen. Auf den Leseveranstaltungen verkauft Ingvar Ambjørnsen auch viele seiner älteren, noch lieferbaren Titel, von denen einige schon längst eingestampft oder als Asche vom Winde verweht sein sollten – wenn Verlage und Vertrieb einer darwinistischen Logik gefolgt wären.

Ambjørnsen hat mit anderen Worten einen ganz neuen ökologischen Kreislauf erschaffen. Mitten im Trauergesang über die Talfahrt der Buchbranche ist er zufrieden mit dem, was er gerade zustande gebracht hat:

„Es macht ungeheuren Spaß, den Lesern auf diese Art zu begegnen. In all den Jahren habe ich sehr viel allein, für mich gearbeitet und an verschiedenen Büchern gleichzeitig geschrieben. Ich war an Einsamkeit gewöhnt und habe kaum größere Menschenmengen aufgesucht. Nun bin ich irgendwie zum Kontakt gezwungen und ich erlebe, dass das in vielerlei Hinsicht Befriedigung schafft“, sagt Ingvar Ambjørnsen.

„Das bedeutet so etwas wie ‚Back to basics‘, zurück zur Erzählung – oder wie eine meiner Leserinnen neulich sagte: Zurück ans Lagerfeuer.“

Aus dem Norwegischen von Sabine Richter.

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