Die Übersetzerstafette: Günther Frauenlob

Nachrichten
Interview
Geschrieben von Anna Schüller, NORLA

In der zweiten Runde geht die Übersetzerstafette an: Günther Frauenlob. Seit über 25 Jahren übersetzt Günther bereits norwegische und dänische Literatur.

Günther Frauenlob

Den Übersetzern und ihrem hervorragenden Einsatz ist es zu verdanken, dass norwegische Literatur heute so erfolgreich in die Welt hinausgetragen werden kann. Um Licht auf ihre anspruchsvolle Arbeit zu werfen, haben wir eine Interviewreihe gestartet, in der wir Übersetzer und Übersetzerinnen, die aus dem Norwegischen ins Deutsche übersetzen, besser kennenlernen.

Zu den von Günther aus dem Norwegischen übersetzten Autoren gehören neben bekannten belletristischen Autoren wie unter anderem Jo Nesbø, Tom Egeland oder Lars Mytting auch zahlreiche Sachbuchautoren wie Arnhild Lauveng oder Bjørn Berge. Aktuell übersetzt er gemeinsam mit Frank Zuber Thomas Reinertsen Bergs „Verdensteater“. Lieber Günther, wie kommt man als studierter Geograph zum Übersetzen von norwegischer Belletristik und Sachliteratur?

Das war wirklich ein unerwarteter und auch für mich komplett überraschender Werdegang. Ich habe parallel zu meinem Studium norwegische Sprachkurse am Institut für Skandinavistik belegt, weil mich Norwegen als Land einfach fasziniert hatte. Später habe ich dann im Rahmen eines Uni - Praktikums ein paar Monate in Oslo am Senter for Industriforskning verbracht. In dieser Zeit habe ich nur norwegische Bücher gelesen, um die Sprache zu trainieren. Ja und dabei habe ich mich dann in die norwegische Literatur verliebt. Dass ich danach dann tatsächlich (Jahre später) mit dem Übersetzen angefangen habe, hat maßgeblich mit Eva Lie-Nielsen zu tun, die damals bei Gyldendal gearbeitet und mich extrem motiviert hat, es doch einmal mit dem Übersetzen zu versuchen…

Wo arbeiten Sie für gewöhnlich an Ihren Übersetzungen?

Der Großteil meiner Arbeit geschieht sicher zu Hause am Schreibtisch. Da ich aber auch gerne reise, sind auch schon so einige Bücher in diversen Ferienhäusern, auf Fähren und in Zügen bearbeitet worden…

Günthers Schreibtisch, Foto: Günther Frauenlob

Wie lange arbeiten Sie bereits als Übersetzer? Hat sich in den letzten Jahrzehnten die Anforderungen an Übersetzungen aus dem Norwegischen verändert?

1993 habe ich mein erstes norwegisches Buch übersetzt. Seither hat sich viel verändert. Damals bekamen wir von den norwegischen Verlagen noch Optionen für bestimmte Bücher, mit denen wir dann exklusiv arbeiten konnten, um deutsche Verlage zu finden. Heute ist alles viel schneller und professioneller geworden. Es ist heute noch wichtiger, gut vernetzt zu sein und deutsche und norwegische Verlage gut zu kennen. Die Anforderungen an die Übersetzungen selbst, haben sich kaum verändert. Wir sind nach wie vor den Autoren und ihren Texten verpflichtet und müssen alles daransetzen, immer den richtigen Ton zu treffen …

Was war die anspruchsvollste norwegische Übersetzung, die Sie je vollzogen haben?

Oh, je, das ist eine Frage, die ich so gar nicht beantworten kann. Die Schwierigkeiten können so vielfältig sein. Ich will nur zwei Beispiele nennen. Vor einigen Jahren habe ich die „Riemannsche Vermutung“ von Atle Næss übersetzt, ein Buch, das mich persönlich extrem gefordert hat, da die darin beschriebene Lebenssituation einer zerrütteten Ehe so gar nicht zu meinem häuslichen Frieden mit zwei kleinen Kindern gepasst hat. Für die finale Fassung der Übersetzung musste ich mich damals in die Wohnung einer Kollegin ausquartieren, um diese Gedanken wirklich klar zu fassen zu kriegen…

Ganz andere Herausforderungen haben sich mir bei der Übersetzung von Arnhild Lauvengs Büchern gestellt. Das Thema Schizophrenie war mir damals nicht wirklich vertraut, so dass ich intensivste Recherchearbeit leisten musste. Ich war damals fast täglich zu Gast in einer zum Glück nicht weit entfernten Psychiatrie…

Wie weit darf man als Übersetzer vom Original abweichen?

Eine gute, oft diskutierte Frage, auf die es auch keine klare Antwort gibt. Bei klassischen, literarischen Autoren sollte man sich schon eng ans Original halten, man darf aber auch nicht total am Text kleben. Freier darf man meiner Meinung nach schon mal bei Krimis oder anderen handlungsorientierten Büchern sein, damit das Tempo und die Spannung auch immer hochgehalten werden.

Erhält man als Übersetzer auch schon mal Verbesserungsvorschläge von Lesern?

Aber klar, und das kann mitunter ziemlich nerven. Die meisten Leser haben nicht auf dem Schirm, dass viele Änderungen ja unter der Regie der deutschen Verlage geschehen. Die meisten kritischen Kommentare habe ich zu den Titeln der deutschen Bücher bekommen – für die wir als Übersetzer aber nun wirklich nicht verantwortlich sind.

Ihr Kollege Frank Zuber, der Sie für diese Runde nominiert hat, möchte von Ihnen wissen: Du arbeitest seit einiger Zeit zusätzlich als Literaturagent, allerdings in die andere Richtung. Hat dies Ihre Arbeit als Übersetzer verändert?

Ich arbeite neben den Übersetzungen seit einigen Jahren als freier Mitarbeiter in der agentur literatur - Gudrun Hebel mit der Vermittlung deutscher Bücher nach Skandinavien. Ein Schritt, den ich nie bereut habe. Ich war damals nämlich an einem Punkt, an dem ich als Gutachter für deutsche Verlage beinahe nur noch norwegische und dänische Bücher gelesen habe und mich deshalb sprachlich beim Übersetzen sehr um mich selbst gedreht habe. Jetzt lese ich „zwangsläufig“ sehr viel deutsch und denke immer wieder: „oh ja, so kann man das ja auch machen“. Ich kann wirklich nur sagen, dass mir das Lesen guter deutscher Literatur extrem bei meiner Arbeit als literarischer Übersetzer hilft. Zeitlich nimmt die Agenturarbeit dabei nur einen Bruchteil meiner Kapazität in Anspruch, so dass das kein Problem ist.

An wen möchten Sie die Übersetzerstafette weiterreichen? Und welche Frage möchten Sie beantwortet wissen?

Ich gebe den Staffelstab gerne an Maike Dörries weiter. Sie übersetzt ja auch viel Kinder- und Jugendliteratur. Mich interessiert da, wie sie es schafft, sich in dem Kinder- und Jugendjargon immer auf dem neuesten Stand zu halten. Ich verstehe manchmal meine eigene Tochter ja kaum.

Lesen Sie was Maikes Antwort hier.

Die ÜbersetzerstafetteÜbersetzer