Die Übersetzerstafette: Maike Dörries

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Interview
Geschrieben von Anna Schüller, NORLA

In der dritten Runde geht die Übersetzerstafette an Maike Dörries. Maike hat seit 1997 rund 100 Titel aus dem Norwegischen ins Deutsche übersetzt.

Maike Dörries, Foto: Johannes Vogt

Den Übersetzern und ihrem hervorragenden Einsatz ist es zu verdanken, dass norwegische Literatur heute so erfolgreich in die Welt hinausgetragen werden kann. Um Licht auf ihre anspruchsvolle Arbeit zu werfen, haben wir eine Interviewreihe gestartet, in der wir Übersetzer und Übersetzerinnen, die aus dem Norwegischen ins Deutsche übersetzen, besser kennenlernen.

Zurzeit arbeitet Maike an einer Übersetzung des Kinderbuches «Det du ikke vet om Vilde» (Was du nicht über Vilde weißt) von Nicolai Houm für den Oetinger Verlag. Seit September 2018 ist Maike Teil des Teams der agentur literatur Gudrun Hebel, wo sie als agent for children and young adult arbeitet. Eine Tätigkeit, die sie als wunderbare Bereicherung ihrer Arbeit als Übersetzerin empfindet. Liebe Maike, wann haben Sie sich entschieden und was hat Sie dazu motiviert Bücher zu übersetzen?

Durch Skandinavien-Urlaube mit meiner Familie war schon sehr früh die Begeisterung für Skandinavien entfacht. Dazu die jetzt schon zwei Generationen überdauernde Freundschaft zu meiner schwedischen Vize-Familie und eine kurze schwedische Sommerliebe haben mich endgültig den Entschluss fassen lassen, Schwedisch zu lernen. Was mit einem Volkshochschulkurs begann, habe ich später dann vertieft über die Lektüre von allem, was ich an schwedischsprachiger Literatur in die Finger bekommen habe: Gösta Knutssons "Pelle Svanslös", die schwedische Übersetzung der Narnia-Chroniken, Selma Lagerlöf, "Wickie und die starken Männer" ... In diesem breit gefächerten Literaturreigen bin ich ständig auf Bücher gestoßen, die es nicht auf Deutsch gab. Damit fingen meine ersten Übersetzungsversuche an, die bald zu der Erkenntnis führten, dass mir diese Art von Textarbeit unglaublich viel Spaß bereitet. Meine ersten Übersetzungsangebote (noch in der Schulzeit) für deutsche Kinderbuchverlage wurden noch abgelehnt. Aber zehn Jahre und ein Skandinavistik- und Niederdeutschstudium später durfte ich dann tatsächlich „Pelle Svanslös“ als Kinderoper und „Wickie und die starken Männer“ neu übersetzen. Und da war auch längst klar, dass ich in diesem Beruf arbeiten wollte. In dieser Zeit sind auch die ersten Kontakte zu NORLA entstanden.

Wo arbeiten Sie für gewöhnlich an Ihren Übersetzungen? Beschreiben Sie Ihren Arbeitsplatz!

Für die eigentliche Übersetzungsarbeit brauche ich einen ruhigen, hellen Arbeitsplatz und den gesicherten Nachschub an Darjeeling – entweder in meinem Büro von Büchern umgeben, oder am Küchentisch mit Blick in den großzügigen, grünen Hinterhof. Für Korrekturen, Recherche und zum Lesen und Lauschen darf auch gerne Leben um mich sein, da gibt es ein paar erprobte Cafés und Parkbänke. Dazu gehören auch Zugfahrten …

Maikes Schreibtisch, Foto: Maike Dörries

Extrem motivierend und arbeitsanregend waren in diesem Jahrhundert-Sommer knapp drei Wochen in der Autorenwohnung im Literaturhaus in Oslo.

Kommen Sie auch privat noch dazu zu lesen? Und gelingt es Ihnen in diesem Fall abzuschalten oder beschäftigt Sie auch die Übersetzungen Ihrer Kollegen?

Schwer zu sagen, wo bei mir als Übersetzerin, Lektorin und Literaturagentin die Grenze zwischen privater und beruflicher Lektüre verläuft … Das völlig losgelöste, entspannte Lesen ohne jeden Hintergedanken kommt da sicherlich zu kurz. Aber ich kann mit voller Überzeugung sagen, dass ich meine Literaturleidenschaft zum Beruf gemacht habe. Privat lese ich meist Originaltexte statt Übersetzungen von Kollegen, beruflich beschäftige ich mich aber ausgiebig damit im Übersetzer-Team oder als Außenlektorin.

Welches norwegische Werk liegt Ihnen besonders am Herzen?

Eine meiner norwegischen Perlen ist Endre Lunds Eriksens Buch „Den sommeren pappa ble homo“! In einem Café auf Gotland hatte ich im Gästebuch des „Utedass“ einen genialen Eintrag entdeckt – zwei Mädchen hatten geschrieben, dass ihr Sommer auf Gotland der Hit war. „Dumm nur, dass unsere Papas schwul geworden sind“ … Was für eine geniale Einleitung für ein Kinderbuch! Aber wer konnte sowas schreiben? Von meinen deutschen Autorenfreunden fiel mir niemand ein … Ich selber? Nein, ich wusste schon, warum ich Übersetzerin geworden bin. Und dann fiel mir Endre ein, dessen schräge Pitbull-Terje-Bücher ich bereits begeistert ins Deutsche übersetzt hatte. Und das Ergebnis hat meine Erwartungen übertroffen! Und ich durfte meine Kinderbuchidee dann auch noch selber übersetzen!

Begegnen Sie nach so vielen Jahren Übersetzungsarbeit aus dem Norwegischen immer noch Herausforderungen?

Natürlich ziehen mit jahrzehntelanger Übersetzungsarbeit in manchen Bereichen Routinen ein. Aber jede neue Erzählstimme, jeder neue Text, jeder neue Ton, jedes Genre für sich hält neue Herausforderungen bereit. Das ist es ja gerade, was diese Arbeit so spannend macht.

Bekommen Sie nicht manchmal Lust ein eigenes Kinderbuch zu schreiben?

Die Lust ist immer wieder da. Stoffe und Ideen gibt es auch genug. Aber es gibt auch so viele andere tolle Schreiber. Sollte ich irgendwann feststellen, dass die spannenden Stoffe zum Übersetzen ausgehen, dann … vielleicht …

Ihr Kollege Günther Frauenlob, der Ihnen den Staffelstab weiterreicht, möchte gerne von Ihnen wissen, wie sie es schaffen sich in dem Kinder- und Jugendjargon immer auf dem neuesten Stand zu halten? Er selbst versteht ja manchmal seine eigene Tochter kaum….

Lieber Günther: Gute Frage, schwierige Frage … Das mit dem neusten Stand, was den Jugendjargon in der Jugendliteratur betrifft, ist so eine Sache. Zum einen ist er selten deckungsgleich im Ursprungs- und im Zielland. Und dazu kommt, dass ein Großteil der Jugendliteratur von älteren Autoren für Jugendliche geschrieben wird, was noch einen zusätzlichen Filter bedeutet. Ich habe bei meinen übersetzten Jugendbüchern die Erfahrung gemacht, dass zwar durchaus aktuelle sprachliche Markierungen gesetzt werden und Jargon verwendet wird, aber insgesamt eher eine „zeitlose“ Sprache gewählt wird. Aber natürlich sehe ich trotzdem zu – da ich keine eigenen Kinder habe – zum Beispiel bei deinen Töchtern und meinen Neffen, im Bus, Zug und in der Stadt, immer die Ohren offenzuhalten und Zeitschriften, Comics, Filme und Serien anzuschauen, um am sprachlichen Puls der Zeit zu bleiben.

An wen möchten Sie die Übersetzerstafette weiterreichen? Und welche Frage möchten Sie beantwortet wissen?

Christel Hildebrandt. Du arbeitest seit langem sehr intensiv in der Übersetzernachwuchs-Förderung. Worin besteht der besondere Reiz für dich in diesem Engagement?

Lesen Sie was Christels Antwort hier.

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