Die Übersetzerstafette: Paul Berf

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Interview

In der achten Runde geht unsere Übersetzerstafette an den Kölner Übersetzer Paul Berf, dessen großartiger Arbeit es zu verdanken ist, dass auch die deutschen Leserinnen und Leser in die eindrücklich geschilderte Welt des Karl Ove Knausgård eintauchen dürfen.

Paul Berf, Foto: Privat

Den ÜbersetzerInnen und ihrem hervorragenden Einsatz ist es zu verdanken, dass norwegische Literatur heute so erfolgreich in die Welt hinausgetragen werden kann. Um Licht auf ihre anspruchsvolle Arbeit zu werfen, haben wir eine Interviewreihe mit dem Titel „Die Übersetzerstafette“ gestartet, um Übersetzer und Übersetzerinnen, die aus dem Norwegischen ins Deutsche übersetzen, besser kennenlernen.

Geboren wurde Paul Berf 1963 in Frechen bei Köln und heute lebt er in Köln. Nach der Schule absolvierte er zunächst eine Buchhändlerlehre und studierte anschließend Skandinavistik, Germanistik und Anglistik in Köln und Vergleichende Literaturwissenschaft im schwedischen Uppsala. Nach dem Studium arbeitete er einige Jahre als Dozent im Fach Skandinavistik an der Universität in Köln, übersetzte parallel dazu aber schon gelegentlich Texte. 1999 beschloss er dann, sich als Literaturübersetzer selbständig zu machen und übersetzt seither Prosa und Lyrik aus dem Schwedischen, Finnlandschwedischen und Norwegischen. Derzeit arbeitet er an der Übersetzung des Romans Nelly B.s Herz (Nelly B:s hjärta) des schwedischen Schriftstellers Aris Fioretos, in dem es um die Liebesgeschichte zweier Frauen im Berlin der zwanziger Jahre geht (und natürlich noch um vieles mehr).

Lieber Paul, wann haben Sie sich entschieden und was hat Sie dazu motiviert, Bücher zu übersetzen?

In der Endphase meines Studiums und während meiner Zeit als Universitätsdozent ergab es sich eher zufällig, dass ich zwei Kriminalromane von Henning Mankell und, vor allem, Gedichte schwedischer und finnlandschwedischer Lyriker*innen übersetzte, die mir zwei Einladungen zu Übersetzerseminaren in Schweden und Finnland einbrachten, bei denen ich mich im Kreise der Übersetzer*innen sehr wohl und akzeptiert fühlte. Entscheidend war jedoch, dass ich bei der Arbeit an meinen ersten Übersetzungen einerseits merkte, dass mir das Übersetzen großen Spaß machte, andererseits aber auch, dass mir die für literarisches Übersetzen erforderliche Art der Kreativität lag.

Was wäre womöglich aus Ihnen geworden, wenn nicht Übersetzer?

Irgendetwas mit Büchern, könnte man sagen. So gesehen begann meine berufliche Laufbahn mit sechs Jahren, als ich lesen lernte. Nach der Schule versuchte ich es zunächst mit einer Buchhändlerlehre, im anschließenden Studium träumte ich dann davon, Verlagslektor zu werden, das wäre vielleicht auch einen Versuch wert gewesen.

Wo arbeiten Sie für gewöhnlich an den Übersetzungen?

Ich habe in meiner Wohnung ein Arbeitszimmer mit Schreibtisch, Bücherregal und Leseecke, in dem ich größtenteils arbeite, aber das Schöne am Übersetzen ist ja, dass man im Grunde überall arbeiten kann. Sehr gern und regelmäßig fahre ich dazu nach Visby auf der Insel Gotland, ins Baltic Centre for Writers and Translators, in dessen Atmosphäre ich wunderbar arbeiten kann. Inzwischen fahre ich auch regelmäßig auf die Schäreninsel Runmarö nahe Stockholm, auf der ich dieses Jahr im Spätsommer zwei Monate wohnen und arbeiten werde.

Paul Berfs Schreibtisch in Köln, Foto: Paul Berf

Als etablierter Übersetzer haben Sie inzwischen das Privileg, sich aussuchen zu können, welche Übersetzungsaufträge Sie annehmen. Worauf achten Sie bei der Auswahl der Bücher?

In den allermeisten Fällen ist die literarische Qualität das entscheidende Kriterium. Ein Buch muss mich literarisch, also vor allem auch sprachlich überzeugen, um in mir die Lust zu wecken, es zu übersetzen. Es ist immer mein Ziel gewesen, Bücher zu übersetzen, die mir wegen ihres literarischen Gehalts so wichtig erscheinen, dass sie auch in Deutschland ein Publikum finden sollten. Aber ehrlich gesagt übersetze ich gelegentlich auch das eine oder andere Buch, weil eine befreundete Lektorin oder ein befreundeter Lektor mich darum bittet oder ich schon immer einmal für einen bestimmten Verlag arbeiten wollte.

Gibt es einen Autor, eine Autorin, die Sie ganz besonders gern übersetzen?

Nein, eigentlich nicht, es ist eher so, dass ich Abwechslung mag und deshalb am liebsten möglichst unterschiedliche Autor*innen übersetze. Der Beruf des Übersetzers erlaubt einem ja ähnlich wie Schauspielern, in ganz unterschiedliche Rollen zu schlüpfen, was ich als ein großes Privileg empfinde.

Welches norwegische Buch sollte jeder Literaturenthusiast gelesen haben und weshalb?

Da fallen mir viele ein, aber ich entscheide mich für den Roman Pferde stehlen/Ut og stjæle hester von Per Petterson. Ich finde, der Roman ist eine großartige und dramatisch verdichtete Darstellung eines Jungen, der im Laufe eines Sommers und durch die Geschehnisse dieses Sommers zu einem jungen Mann reift. Geschrieben in einer sublim einfachen und rhythmischen Prosa, voller atmosphärisch dichter Beschreibungen und mit einem großen Sinn für prägnante Szenen zur Darstellung der inneren Prozesse der Hauptfigur. Große Kunst!

2014 erhielten Sie den Jane-Scatcherd-Preis „für ihre kongeniale Übersetzung des Romanprojekts des norwegischen Autors Karl Ove Knausgård“. Ihre Kollegin Ursel Allenstein, die Ihnen den Staffelstab weitergereicht hat, möchte gerne von Ihnen wissen, wie die Übersetzung dieses Mammutprojektes ihr Übersetzerleben verändert hat.

In meinem Übersetzerleben hat sich eigentlich gar nichts verändert, was sicher anders gewesen wäre, wenn ich jahrelang nichts anderes übersetzt hätte als Karl Ove Knausgård, aber für mich stand von Anfang an fest, dass ich meine anderen Autoren wegen dieses Mammutwerks nicht vernachlässigen wollte, und da die Bände in Deutschland über einen längeren Zeitraum hinweg erschienen sind, ist jeder Teil des Projekts eine Übersetzung unter anderen geblieben. Gleichzeitig kann ich nicht leugnen, dass ich schon bei der Lektüre des Manuskripts zum ersten Teil von Min kamp, noch vor der Veröffentlichung in Norwegen, das Gefühl hatte, etwas ganz Besonderes zu lesen, ein Buch, wie ich es so noch nie gelesen hatte.

Sie übersetzen bereits seit über 20 Jahren Bücher. Welchen Ratschlag möchten Sie jungen Übersetzern und Übersetzerinnen oder solchen, die mit dem Gedanken spielen es zu werden, mit auf den Weg geben?

Zwei Dinge sollte man vorab wissen: Literarisches Übersetzen ist harte Arbeit und wird im Verhältnis zum Aufwand, den man betreibt, eher schlecht bezahlt. Wenn einen das nicht schreckt und man die nötige Liebe zur Literatur und das ebenso nötige literarische Sprachgefühl besitzt, ist es andererseits ein ganz wunderbarer Beruf. Am Anfang ist es wichtig, sich ein Kontaktnetz aufzubauen, häufig, indem man Gutachten für eine Reihe von Verlagen schreibt. Und: Man sollte anfangs nicht wählerisch sein, sondern jeden Auftrag annehmen, den man bekommen kann. Übersetzen ist eine Tätigkeit, bei der Erfahrung eine große Rolle spielt, und man sammelt bei jeder Übersetzung wertvolle Erfahrungen.

An wen möchten Sie die Übersetzerstafette weiterreichen? Und welche Frage möchten Sie beantwortet wissen?

Ich möchte sie an Ina Kronenberger weiterreichen, die auch den oben erwähnten Per Petterson übersetzt, und sie fragen, was ihr die Bücher Pettersons und die Arbeit an seinen Büchern bedeuten?

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