Alexander L. Kielland: Schriftsteller und Gesellschaftskritiker

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Geschrieben von Kiellandsenteret

"Ich würde lieber in Feindschaft mit meiner gesamten Umgebung leben, als aufzugeben, was ich als Recht und Wahrheit erkannt habe." Alexander L. Kielland

Ledaal in Stavanger, Foto: Elisabeth Tønnessen/MUST

Alexander L. Kielland wurde 1849 in Stavanger geboren. 1879 debütierte er als Schriftsteller. Er schrieb Romane, Theaterstücke und Kurzprosa. Er gilt als einer der wichtigsten Vertreter des Realismus in Norwegen. In seinen Texten diente ihm seine Heimatstadt häufig als Ausgangspunkt. Generationenkonflikte, Frauenfragen, soziale Ungleichheit, religiöse Heuchelei und scharfe Angriffe auf die bürgerliche Doppelmoral sind die Themen, die sich durch sein Schreiben ziehen. In der Stadt übernahm Kielland eine Reihe von Funktionen und Ämtern: Unternehmer, Jurist, Schriftsteller, Journalist und Bürgermeister. Er war politisch radikal und setzte sich für die Schwachen ein. Er selbst gehörte dem Bürgertum an und kam aus einer der wohlhabendsten Familien in Stavanger. Ein Zwiespalt, der sein gesamtes Leben und schriftstellerisches Werk prägte.

Der Schriftsteller

Zu seinen Lebzeiten war Kielland sehr umstritten. Seine stilistische Meisterschaft und sein sozialkritisches Engagement haben ihm jedoch eine zentrale Position in der norwegischen Literaturgeschichte gesichert. Sein Roman „Geschenk“ (1883), eine scharfe Abrechnung mit dem Schulsystem und religiöser Heuchelei, oder die Novellette „Karen“ (1881), die tragische Erzählung der Magd, die unehelich schwanger wird, sind in Norwegen bis heute Schullektüre. Sein bekanntestes und meistgelesenes Werk ist jedoch vermutlich der Roman „Garman und Worse“ (1880). Die Erzählung über das traditionsreiche Kaufmannshaus und das großbürgerliche Leben handelt von Generationskonflikten, Intrigen, Machtspielen, Verrat und unerfüllter Liebe. Problematisiert wird der Konflikt zwischen Neu und Alt, Arm und Reich sowie Kultur und Natur. Der Roman diente Thomas Mann später als Inspiration zu seinem Meisterwerk „Buddenbrooks“.

Ein Blick auf andere Schriftsteller seiner Zeit zeigt, dass Kielland eine sehr moderne Naturauffassung hatte, mit der heutige Leser*innen sich identifizieren können. Bereits in den 1870er-Jahren sprach er sich für den Schutz von Tieren, insbesondere der heimischen Vögel, aus. Die menschlichen Eingriffe in die Landschaft, die im Zuge der Umstellung auf eine moderne Landwirtschaft stattfanden, beobachtete er mit Besorgnis.

Alexander L. Kielland

Der Europäer

Kielland reiste viel und lebte zeitweise in Paris und Kopenhagen. Auf seinen zahlreichen Reisen verkehrte er in den Kreisen tonangebender Schriftsteller, Künstler und Intellektueller und brachte entsprechende Denkweisen und Ideen vom Kontinent zurück in seine kleine Heimatstadt am Rande Europas. Nicht ganz uneitel hatte der Schriftsteller sogar seinen eigenen Schneider in Hamburg, der dafür sorgte, dass er jederzeit tadellos gekleidet war. Seine Bücher gehörten zu den meistgelesenen in Skandinavien und wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Der Großteil von Kiellands Werk wurde bereits zu seinen Lebzeiten ins Deutsche übertragen. Der Roman „Jakob“ (1891) wurde im Frühling in einer Neuübersetzung herausgegeben.

"Jakob" erschien in 2019 Übersetzung von Gabriele Haefs im Alfred Körner Verlag.

Kiellands Vermächtnis

Das Haus des Schriftstellers wurde bereits kurz nach seinem Tod abgerissen. Abgesehen von einem Denkmal, das zentral auf dem großen Platz der Stadt errichtet wurde, erinnert in der Heimatstadt des Dichters heute kaum noch etwas an ihn. Das Museum Stavanger hat einen eigenen „Kielland-Raum“. Hier sind einige Figuren aus Kiellands literarischem Werk sowie Impressionen aus dem damaligen Stadtleben zu sehen. Darüber hinaus ist „Ledaal“, das Haus der Familie Kielland, heute Museum und damit für die Öffentlichkeit zugänglich. Der stattliche Gutshof dient auch als königliche Residenz in Stavanger.Kielland selbst hat nie auf Ledaal gelebt, war aber häufig dort zu Gast. Sowohl das Haus als auch seine Bewohner dienten ihm als Vorbilder und Inspiration für sein literarisches Werk.

Kiellands Vermächtnis lebt vermutlich vor allem in den Gedanken und Ideen weiter, für die der Schriftsteller eintrat, sowie in der Tradition, Literatur als Instrument der Gesellschaftskritik zu nutzen. Sich für Literatur und Meinungsfreiheit einzusetzen, hat in Stavanger einen hohen Stellenwert. Als erste Stadt in Norwegen bot Stavanger verfolgten Schriftstellern einen Zufluchtsort und ist inzwischen der Hauptsitz von ICORN – International Cities of Refuge Network. Am 18. Februar 2019, dem 170. Geburtstag des Schriftstellers, wurde das Kiellandzentrum in Sølvberget, Bibliothek und Kulturhaus, im Herzen der Stadt eröffnet.

Das Kiellandzentrum in Stavanger

Das Kiellandzentrum ist eine Begegnungsstätte für Literatur, Lesen und Schreiben. Ausgehend vom Leben und Schreiben des Schriftstellers und Gesellschaftskritikers Alexander L. Kielland wird die Bedeutung, die Literatur für die Gesellschaft und für den Einzelnen hat, ausgelotet. Hier können Sie die Literaturstadt Stavanger näher kennenlernen und mehr über die Bedeutung von Literatur für Demokratie und Meinungsfreiheit erfahren. Durch Ausstellungen, Veranstaltungen und Schulbesuche lädt das Kiellandzentrum zu Debatten, zum Meinungsaustausch und zu Diskussionen über das Lesen und die Literatur ein. Auf der Frankfurter Buchmesse wird das Kiellandzentrum gemeinsam mit ICORN und Friby Stavanger an einem eigenen Stand vertreten sein, wobei Literatur und Meinungsfreiheit im Mittelpunkt stehen.

Aktuelle Links:

www.kiellandsenteret.no

http://ledaalmuseum.no/

http://stavangermuseum.no/

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