In der vierten Runde geht die Übersetzerstafette an Christel Hildebrandt. Seit über 30 Jahren ist Christel Hildebrandt schon Übersetzerin und damit ein „alter Hase“ im Übersetzungsgeschäft.
Den Übersetzern und ihrem hervorragenden Einsatz ist es zu verdanken, dass norwegische Literatur heute so erfolgreich in die Welt hinausgetragen werden kann. Um Licht auf ihre anspruchsvolle Arbeit zu werfen, haben wir eine Interviewreihe gestartet, in der wir Übersetzer und Übersetzerinnen, die aus dem Norwegischen ins Deutsche übersetzen, besser kennenlernen.
Seit über 30 Jahren ist Christel Hildebrandt schon Übersetzerin und damit ein „alter Hase“ im Übersetzungsgeschäft. Dank ihr können die deutschen LeserInnen in die Welt der Protagonisten aus Lars Saabye Christensens Romanen eintauchen oder Kinder- und JugendbuchautorInnen wie Jon Ewo, Bjørn Ingvaldsen und Maria Parr kennenlernen. Oder aber den alten Meister Henrik Ibsen neu entdecken. Ganz zu schweigen von Amalie Skram … Momentan arbeitet Christel wieder einmal an einem Buch von Lars Saabye Christensen, dem ersten Teil seiner Trilogie über Oslo in den 50er Jahren.
Erzählen Sie uns doch bitte ein wenig über Ihren Hintergrund. Wann haben Sie sich entschieden und was hat Sie dazu motiviert Bücher zu übersetzen?
Eigentlich wollte ich ja Soziologin werden, habe dann aber daneben Deutsch studiert und meine Ausbildung zur Lehrerin gemacht. Dann bin ich immer mehr zur Literatur gerutscht, habe promoviert – über Frauenliteratur in der DDR – und nebenbei aus persönlichen Gründen Norwegisch gelernt. Zum Übersetzen bin ich eher zufällig gekommen, Gabriele Haefs war mit in den Sprachkursen an der Uni Hamburg (studieren konnte man damals, wie leider auch heute wieder, Skandinavistik in Hamburg nicht) und sie hat mich aufgefordert, es doch mal zu versuchen. Und dann bin ich über die „Beatles“ von Lars Saabye Christensen gestolpert und wollte das unbedingt übersetzen. Nach fast drei Jahren Verlagssuche hat das dann ja auch tatsächlich geklappt, bei einem Ein-Mann-Verlag, dem Popa-Verlag, dessen Besitzer sich nur auf mein Urteil verlassen hat, dass es wirklich ein außergewöhnlich tolles Buch ist!
Werden Sie aufgrund Ihrer Erfahrung oft nach Ihrer Meinung zu potenziell interessanten Büchern gefragt? Und: müssen Sie mitunter auch schon mal ein Buch übersetzen, das Ihnen vielleicht nicht so gut gefällt?
Inzwischen schreibe ich nicht mehr so viele Gutachten, aber es gibt immer wieder außergewöhnliche Bücher, die mir dann besonders am Herzen liegen und die ich gern empfehle. Und natürlich gibt es immer wieder mal ein Buch, das ich übersetze, obwohl ich nicht gerade begeistert von ihm bin. Wobei sich das manchmal tatsächlich erst bei der Arbeit direkt herausstellt. Dabei handelt es sich dann eigentlich immer um einen Krimi, der hochgepriesen wurde und dann die Erwartungen doch nicht erfüllt.
Welche Übersetzungen aus dem Norwegischen haben Ihnen besonders viel Freude bereitet?
Zum einen sind da natürlich die Bücher von Lars Saabye Christensen, auf die ich mich immer besonders freue, weil ich denke, mittlerweile (ich übersetze ihn seit 1988 und habe fast alle seine Bücher übersetzt) kenne ich seine Sprache und seinen Stil so gut, dass meine Sprache fast mit seiner verschmilzt und es ist immer eine große Freude, mit ihm zu arbeiten. Aber auch z.B. die Bücher von Maria Parr haben viel Spaß gemacht und eigentlich könnte ich jetzt so ziemlich alle AutorInnen aufzählen, denn mir macht das Übersetzen immer noch riesigen Spaß.
Sie übersetzen ja nicht nur aus dem Norwegischen, sondern auch aus dem Schwedischen, Dänischen und sogar aus dem Färöischen. Wie haben Sie sich die anderen drei Sprachen angeeignet? Und können Sie nach so vielen Jahren Übersetzungsarbeit ein besonderes Merkmal festmachen, was die Literatur dieser Länder voneinander unterscheidet?
Meine Hauptsprache ist und bleibt das Norwegische, und ich versuche erst gar nicht, in den anderen skandinavischen Sprachen Konversation zu betreiben, da fürchte ich, es wird nur ein großes Durcheinander. Zum Schwedisch bin ich auf Anregung einer Lektorin gekommen, das Dänische ist im Schriftlichen ja dem Norwegischen relativ ähnlich, und das Färöische, ja, da hat mich der Ehrgeiz gepackt, ich wollte noch einmal eine andere, aber doch nicht zu fremde Sprache lernen und habe mich dann in sie und in die Inseln und ihre Literatur verliebt. Und inzwischen ist es so, dass ich beim Übersetzen direkt gar nicht merke, aus welcher Sprache ich übersetze, offenbar gibt es da so einen Schalter im Kopf, der dann umklappt.
Ja, die Unterschiede zwischen den einzelnen Literaturen, da könnte ich jetzt ein ganzes Referat halten, aber ich denke, wenn man sich die Geschichte der verschiedenen Staaten anschaut, kann man erkennen, wie verschieden die Wurzeln sind.
Kommen Sie auch privat noch dazu zu lesen? Und gelingt es Ihnen in diesem Fall abzuschalten oder beschäftigt Sie die Übersetzungen Ihrer Kollegen?
Inzwischen nehme ich mir wieder mehr Zeit, auch deutsche Literatur zu lesen. Früher gab es Zeiten, da habe ich so gut wie nur skandinavische Bücher gelesen. Was ich aber kaum tue: Die Übersetzungen der KollegInnen zu lesen. Dann bevorzuge ich natürlich das Original, und wenn ich es dann doch einmal tue, ertappe ich mich dabei, dass ich überlege, wie es wohl im Original hieß und wie ich es übersetzt hätte. Da fällt es mir schwer, einfach den Text wirken zu lassen. Auch ein Grund, warum ich nur ungern Übersetzungen von KollegInnen lese.
Ihre Kollegin Maike Dörries, die Ihnen den Staffelstab weitergereicht hat, möchte von Ihnen wissen: „Christel, Du arbeitest seit langem sehr intensiv in der Übersetzernachwuchs-Förderung. Worin besteht der besondere Reiz für Dich in diesem Engagement?“
Es wird mir mit den Jahren immer wichtiger und ich bin fasziniert von den jungen Leuten, die aus ganz unterschiedlichen Motiven zum Übersetzen kommen und so viele unterschiedliche Erfahrungen, Kenntnisse und Interessen mitbringen. Dabei bin ich jedes Fall auch heimlich auf der Suche nach neuen Talenten – und bin jedes Mal wieder überrascht, welche Schätze es da zu heben und zu fördern gibt. Und dann stelle ich mir vor, dass ich mich irgendwann im Sessel zurücklehnen und zufrieden feststellen kann, dass so einige der ÜbersetzerInnen der neuen Generation mal bei mir im Seminar gesessen haben. Das ist einfach toll.
Wie gestaltet sich diese Nachwuchs-Förderung konkret? Und welchen Ratschlag möchten Sie jungen ÜbersetzerInnen oder solchen, die mit dem Gedanken spielen es zu werden, mit auf den Weg geben?
Ich leite seit jetzt acht Jahren einmal im Jahr ein 4-tägiges Seminar im Nordkolleg Rendsburg (dankenswerterweise unterstützt von NORLA), das sich an junge ÜbersetzerInnen wendet, die am Ende ihres Studiums sind oder bereits erste praktische Erfahrungen gesammelt haben. Dazu lade ich jeweils eine Autorin/einen Autor ein, deren Text wir dann bearbeiten und bei einer Lesung vortragen. Bei diesem Seminar geht es mir nicht nur um die Textarbeit, sondern ganz besonders auch um die praktische Information: Wie komme ich in Kontakt mit den Verlagen im Ursprungs- oder Zielland? Was sind meine Rechte, meine Pflichten? Welche Hilfen gibt es, welche Fallen? Alles Dinge, die nicht unbedingt in der Universität behandelt werden. Und es ist ein wunderbares Gefühl, wenn ich „meine SchülerInnen“ später wiedersehe, mit einem von ihnen übersetzten Buch in der Hand!
Ja, und es sind eigentlich drei Ratschläge, die ich ihnen immer wieder gebe:
1. Das Wichtigste überhaupt ist die Kenntnis der eigenen Muttersprache. Klingt vielleicht banal, vieles kann man ja nachschauen, doch das Gespür für die eigene Sprache muss einfach da sein.
2. Sei ehrlich und offen, versuche nicht, etwas z.B. durch ein falsches Gutachten oder schlechte Nachrede zu erreichen, das fällt irgendwann garantiert auf Dich zurück.
3. Geduld, Geduld, Geduld. Es ist ein langer, mühsamer Weg zur anerkannten Übersetzerin, aber wenn Du es wirklich willst, dann lohnt es sich.
An wen möchten Sie die Übersetzerstafette weiterreichen? Und welche Frage möchten Sie beantwortet wissen?
Ich möchte gern Nora Pröfrock nominieren, und ich möchte von ihr wissen: Welche Probleme bringt es für die Arbeit mit sich, wenn man nicht im Land der Zielsprache lebt.
Lesen Sie was Noras Antwort hier.