Steffen Kvernelands zutiefst persönliche Zeichnungen

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Geschrieben von Vebjørn Rogne, BOK365

Im Juni erschien Steffen Kvernelands zutiefst persönlicher graphischer Roman "Ein Freitod" in Übersetzung von Ina Kronenberger im Berliner avant verlag.

Steffen Kverneland, Foto: Maja Hattvang

Steffen Kverneland hat in den letzten Jahren mit seinen graphischen Romanen, besonders mit denen über norwegische Künstler und solchen, die sich auf literarische Werke basieren, große Erfolge verzeichnen können. Besondere Aufmerksamkeit erregte er mit Munch (2013), der mit dem norwegischen Brage-Literaturpreis in der Kategorie Sachbuch ausgezeichnet und bisher in 11 Sprachen übersetzt wurde.

Ein Freitod (norw. En frivillig død, übersetzt von Ina Kronenberger) ist eine zutiefst persönliche Geschichte über Kvernelands Vater. Genauer gesagt dreht sich das Buch um die Gründe für dessen Freitod im Sommer 1981 – der Sohn war gerade 18 – und darüber, wie Steffen Kvernelands weiteres Leben davon beeinflusst wurde. Um die Geschichte zu erzählen, verwendet Kverneland zusätzlich zu den Zeichnungen auch noch Familienfotos.

„Ein Meisterwerk“

Das Buch erhielt das einstimmige Lob der Literaturkritiker, als es im letzten Jahr in Norwegen erschien. Es wurde in mehreren norwegischen Zeitungen, u.a. in Dagbladet, als eines der besten Bücher des Jahres vorgestellt. Die Leser von BOK365 beispielsweise, kürten es zum allerbesten des Jahres.

„Ein pechschwarzes, aber gleichzeitig einfühlsames Meisterwerk“, schrieb Ole Jacob Hoel in Adresseavisa. „Ich habe das starke Gefühl, dass hier etwas Wichtiges geschieht: Wenn z.B. Steffen Kverneland eigene Beobachtungen beschreibt, die mir in ihrer stillen, präzisen Kraft den Atem rauben“, schrieb Siri Narverud Moen in der Tageszeitung Dagsavisen.

„Kverneland gelingt es, auf 120 Seiten voller Zeichnungen und Fotografien eine Geschichte zu vermitteln, wie dies die meisten Autoren auf 3000 Seiten nicht vermögen. Und das ist keine Kleinigkeit! Worin besteht also Kvernelands großer Verdienst? In der Tatsache, dass er einen Schnittpunkt zwischen dem äußerst Schwierigen und dem ganz Einfachen gefunden hat. Und so gesehen glaube ich, dass Kverneland auf eine Art sein Werk abgerundet hat. ... Ein Freitod ist voller Weisheit, die man nur selten besitzt, bevor man nicht eine Weile gelebt hat. Es dauert seine Zeit, um klug zu werden. Und Klugheit ist das Gegenteil von einer felsenfesten Überzeugung“, meint Bård Larsen in der politischen Zeitschrift Minerva.

Trauervampire

Die Geschichte wechselt zwischen Traum und Wirklichkeit, zwischen dem Sorglosen und dem Sorgenvollen, zwischen alten Schwarz-Weiß-Fotos und Farbfotos und selbstverständlich auch Zeichnungen zur Geschichte selbst, aber auch zu Kvernelands eigener Arbeit mit diesem Buch. Und es geht darum, wie die Trauer wieder an die Oberfläche gelangt, nachdem sie weggedrückt wurde. Als Steffen Kverneland vor bald vier Jahren seinen Sohn Aksel aus Vietnam adoptierte, musste er sich erst einmal hinsetzen, um das Buch zu entwerfen, das er im Grunde genommen bereits 20 Jahre mit sich herumgetragen hatte.

„Das ganze Buch lag unter einer dicken Schicht Modder begraben; ich musste erst einmal meine Erinnerungen sauber spülen und sie zusammensetzen“, sagte Steffen Kverneland in einem Interview für die Zeitung VG, als das Buch im letzten Jahr in Norwegen erschien. Er war erst 18, als sich der Vater das Leben nahm. Und das Allerschlimmste während der Trauerphase waren diese Frauen, die ihren Kopf auf die Seite legten und ihn so unglaublich mitfühlend anschauten.

„Das war sicher gut gemeint, aber diese Art von Frauen sind wie Trauervampire. Die gibt es in allen Altersschichten und sie quetschen die Tränen regelrecht aus einem heraus.

Sie manipulieren einen, damit man in der Öffentlichkeit weint. Das war entsetzlich. Ich wurde wütend und fühlte mich machtlos. Ich glaube, es war gut gemeint, aber das Ganze war furchtbar anstrengend. Man versucht, die Fassade aufrecht zu erhalten und macht ein paar Witze und dann kommen die an und wollen es aus dir herausschütteln. ‚‚Heul doch endlich! Du trauerst nicht so, wie man eigentlich trauern sollte! – das kommt mit solch einer Wucht daher.

“Viel Reue, große Trauer und Leere Und dann sind da ja auch noch alle diese Gedanken und Grübeleien, die im Anschluss hochkommen: Warum? Hätte man etwas anders machen können? Hatte er es anders vorausgeplant? Der Text zu einer Fotografie im Buch, aus dem Jahr 1973, bringt einen Teil derselben Trauer zum Ausdruck: ‘...acht Jahre vor dem Freitod bin ich zehn Jahre alt. Hatte er da schon den Entschluss gefasst?‘ Auf dem Bild sieht man Steffen auf dem Schoß seines Vaters sitzen, der zur Seite blickt.

In dem Interview für VG beschreibt das Steffen Kverneland wie folgt:

„Wir alle kennen dieses Schuldgefühl, wenn jemand stirbt. Da ist viel Reue, große Trauer und Leere. Wenn sich jemand das Leben nimmt, dann bekommt man ein noch größeres schlechtes Gewissen. Das ist ein dich überwältigender Schock. Man geht in sich. Man ruft sich wieder viele Erinnerungen ins Gedächtnis. Nichts ist zu gering oder zu dumm, als dass man sich nicht selbst dafür kritisieren könnte. Doch niemand kann immer hundert Prozent liebenswert und fehlerfrei sein. Auch nicht der, der sich das Leben genommen hat.“

Weitere Informationen zur Graphic Novel finden Sie auf der Webseite des Berliner avant verlags.

Aus dem Norwegischen von Sabine Richter.

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