Maja Lunde im Interview über ihr literarisches "Klima-Quartett"

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Geschrieben von Vebjørn Rogne, BOK365

„Durch meine Bücher kann ich über die größten und wichtigsten Themen sprechen. Ich darf eine Stimme in der Klimadebatte haben“, sagt Maja Lunde.

Maja Lunde. Foto: Oda Berby

Maja Lundes Autorschaft begann mit Kinderbüchern und Fernsehdrehbüchern, bevor Bienes historie ihr Leben auf den Kopf stellte. Die Geschichte der Bienen (BTB, in deutscher Übersetzung von Ursel Allenstein) war genreunabhängig 2017 das meistverkaufte Buch des Jahres in Deutschland, wodurch Lunde sowohl Dan Brown und Jeff Kinney, als auch Elena Ferrante überholte.

„Natürlich freut mich der Erfolg riesig, gleichzeitig fühlt es sich aber auch ein wenig abstrakt an. Vor allem, wenn ich ins Ausland reise und merke, wie groß das Ding geworden ist. Es fühlt sich fast so an, als redeten die Leute über eine andere Person“, sagt sie und fügt hinzu: „Es ist gut, wieder nach Hause zu meiner Familie zu kommen, wo alles ist, wie es früher war.“

Bisher wurden die Rechte zur Geschichte der Bienen in 35 Sprachen und die Fortsetzung Die Geschichte des Wassers (Norwegischer Titel: Blå) in 20 Länder verkauft. Verlage in den USA, Deutschland und Frankreich legten viel Geld auf den Tisch, um sich alle Bücher in Lundes Klimaquartett zu sichern.

Maja Lunde erklärt sich den Erfolg der Bücher folgendermaßen:

„Weltweit ähneln sich die Rückmeldungen der Leser dahingehend, dass sie sich in die Figuren einfühlen, sich in deren Welten einleben können. Außerdem wird oft genannt, dass die Geschichten Eindruck auf sie machen, ihre Wahrnehmung und Einstellung verändern. Viele Leser meinten, dass Die Geschichte der Bienen sie dazu brachte, Insekten in ihrer Umgebung zu entdecken, sie in freier Wildbahn zu beobachten und zu schätzen.

Die Geschichte des Wassers veranlasste Menschen eher dazu, die möglichen Folgen der Erderwärmung wirklich auf sich wirken zu lassen und die Möglichkeit zu schätzen, ein Glas sauberes Wasser aus dem Wasserhahn trinken zu können. Ohne Wasser kommen wir nicht aus, es ist so lebensnotwendig, dass wir auf anderen Planeten genau danach suchen. Gleichzeitig ist es einfach unglaublich schön, darum schrieb ich Die Geschichte des Wassers.“

Diesen Herbst erscheint in mehreren Ländern, unter anderem Lundes Heimatland Norwegen unter dem Titel Przewalskis hest und in Deutschland als Die Letzten ihrer Art, der dritte Roman der Reihe. Im Mittelpunkt des Buches steht das Tier Mensch.

Wie haben wir Menschen bisher andere Arten auf der Erde beeinflusst? Welche Unterschiede gibt es zwischen uns und Tieren? Was brauchen wir alle, um zu überleben?

Gespräche, die Eindruck hinterlassen

„In den letzten Jahren reiste ich viel und hatte das Glück, mit Lesern in sehr vielen Ländern zu sprechen. Dabei erlebte ich, dass wir Menschen uns ziemlich ähnlich sind. Wir machen uns oft Sorgen über die Folgen unseres Verhaltens, denken darüber nach, wie wir die Welt beeinflussen, sowohl global als auch in unseren engeren Beziehungen.

Einige dieser Gespräche hinterließen besonders starke Eindrücke bei mir. Mehrmals berichteten mir jugendliche Mädchen mit Tränen in den Augen, wie meine Bücher sie dazu gebracht hatten, sich nicht nur auf sich selbst, Make-up-Videos und ihr eigenes Aussehen zu konzentrieren, sondern die Welt und unsere wirklichen Herausforderungen zu sehen“, sagt Maja Lunde, und fügt hinzu: „Es gab sicherlich auch einige lustige Erfahrungen, wie der bierernste Moderator, der mir eines frühen Morgens im polnischen Frühstücksfernsehen tief in die Augen blickte und fragte: „Sind wir dem Tode geweiht?‘, um gleich darauf nachzulegen: „Was ist der Sinn des Lebens?“ Viel Smalltalk hatte in dieser Kaffeetasse wohl nicht Platz, nein.“

Frisch gebackene internationale Bestsellerautorin und Mutter von drei Kindern zu sein, ist kein Honigschlecken. Kinder wollen betreut und geschriebene Bücher im Ausland veröffentlicht werden, während neue Geschichten darauf warten, geschrieben zu werden. Bei Letzterem zeigt sich Maja Lunde als sehr anpassungsfähig:

„Ich kann überall schreiben: zu Hause, mit den Kindern um mich herum; wenn ich eine halbe Stunde am Flughafen warte; säßen Sie mir jetzt nicht gegenüber, schriebe ich wohl auch jetzt.“

Der große internationale Durchbruch gelang Ihnen mit der langanhaltenden Spitzenposition auf deutschen Bestsellerlisten. Ist Deutschland deshalb ein Ort, zu dem Sie eine besondere Beziehung haben?

„Ich bin ausgiebig durch Deutschland gereist und habe das Land sehr ins Herz geschlossen. Die Liebe der Deutschen zur Literatur sitzt tief und sie beweisen unendlich viel Geduld und Interesse daran, Schriftstellern zuzuhören, die über ihre Bücher sprechen.

Außerdem schätzen sie Lesungen, sogar auf Norwegisch, auch wenn sie kein Wort verstehen. Durch ihr enormes Wissen sind auch ihre klugen Fragen rund um Klima und Ökologie geprägt.“

Geliebte Recherche

In den ersten beiden Büchern des Quartetts haben Sie mit verschiedenen Zeitsträngen gearbeitet. Bleiben Sie dieser Form auch im dritten Band treu?

„Einige der Geschichten verwoben sich wie von allein, wie die Handlungsstränge

in Die Geschichte des Wassers. Alles entstand aus zwei getrennten Bildern: Einerseits war da die böse, alte Frau allein am Wasserfall, andererseits gab es den jungen Mann, der allein in einer vertrocknete Zukunftslandschaft ein gestrandetes Boot fand. Zuerst dachte ich, jeder der beiden sollte sein eigenes Buch bekommen, bis ich erkannte, dass die beiden Geschichten zusammenhingen und der rote Faden eigentlich ein fließendes Gewässer war. In Die Letzten ihrer Art ergaben sich die unterschiedlichen Zeitebenen von allein, da Teile des Buches sich auf eine wahre Geschichte stützen, nämlich die Wildpferdjagd Ende der 1800er. Die Pferde waren damals kurz vorm Aussterben, bevor ihre Art 1992 wieder neu gezüchtet und in der Mongolei niedergelassen wurde. Aber auch in diesem Roman gibt es eine in der Zukunft spielende Handlung.“

Den Prozess um ein neues Buch beschreibt Maja Lunde wie folgt:

„Es beginnt mit einer Idee. Und dann verbringe ich viel Zeit damit, die, über die ich schreibe, kennenzulernen.“ Und nicht zuletzt beschäftigt sie sich eingehend mit den Inhalten ihrer Geschichten. Lunde machte noch nie einen Hehl aus ihrer Liebe zur Recherche, bei der sie in neue Themen und Orte eintaucht – sei es zu Hause in Norwegen, auf Spitzbergen oder an griechischen Stränden.

Welche Entdeckungen überraschten Sie bei der Recherchearbeit zu ihren ersten drei Büchern am meisten?

„Dass Bienen tanzen, um zu kommunizieren, finde ich ziemlich schön.“

Inhärente Gier

In Die Letzten ihrer Art fragen Sie und Ihre Verlage: „Können wir unsere Fehler wiedergutmachen?” Was sagen Sie – können wir das?

„Einige übergreifende Fragen für die Arbeit mit diesen Büchern sind: Was an uns Menschen ist es, das ausmacht, dass wir viele andere Arten überlebten und beherrschten? Können wir unsere Fehler korrigieren, trägt das Tier Mensch dieses Gen in sich? Wir übertreffen alle anderen Arten in Bezug auf Kommunikation, Weiterentwicklung und Wissenstransfer.

Diese Fähigkeiten sind erstaunlich und sicher auch der Grund für viele unserer Errungenschaften, wie Buchdruck, Vorratshaltung und Sesshaftigkeit der Bienen, also im Jahr 2100, stattfinden. Svalbard wird möglicherweise eine Rolle spielen und ich bin ziemlich sicher, dass ich über Pflanzen, Samen und alles, was wächst, schreiben werde.“

Da, wo es brennt

Wenn Maja Lunde von Interview zu Interview um die Welt reist, gibt es einige Themen und Fragen, die wiederkehren: „‚Was ist Ihre Botschaft?‘, werde ich sehr oft gefragt. Beantworten kann ich diese Frage jedoch nicht, denn ich stelle eher Fragen, als dass ich sie beantworte.

Ich schreibe nicht, um eine Botschaft zu verbreiten, sondern eine Geschichte zu erzählen. Man soll da ansetzen, wo es brennt, heißt es. Für mich brennt es genau hier. Es ist die Klima- und Umweltkrise, über die ich mir Sorgen mache und wegen der ich nachts wach liege.

Es wird wohl so sein, dass auf diesem Boden die Geschichten wachsen – buchstäblich und bildlich gesprochen. Ich werde auch gefragt, ob mich das Schreiben dieser Bücher traurig macht, aber tatsächlich werde ich frustrierter davon, nichts zu tun, als vom Schreiben der Horrorszenarien. Durch die Geschichten trauere ich, werde ich getröstet, tauche in die verzweifeltesten Gedanken und leuchtendsten Hoffnungen ein. Ich schreibe, weil ich es kann und brauche. Wenn ich eine Botschaft vermitteln wollte, wäre ich in die Politik gegangen. Die Bücher geben mir die Möglichkeit, über diese großen, wichtigen Themen zu sprechen und in der Klimadebatte eine Stimme zu haben. Das schätze ich sehr.“

An welchen Klima- und Umweltproblemen sollten wir als erstes arbeiten?

„Diese Frage beantworte ich gerne. Meine Antwort lautet wie folgt: Die Zeit, Prioritäten setzen zu können, ist vorbei. Klimawandel und Umweltkrise sind bereits hier, jetzt müssen wir die Ärmel hochkrempeln. Draußen, zu Hause, privat, öffentlich. Wir können nicht mehr behaupten, etwas anderes würde mehr bringen oder das, was wir tun könnten, sei nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Jeder muss alles tun, was nachweislich hilft. Sofort.“

Aus dem Norwegischen von Daniela Syczek.

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