Hinaus ins große Blau

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Geschrieben von Vebjørn Rogne

Maja Lundes "Die Geschichte der Bienen" war in Deutschland das meistverkaufte Buch des letzten Jahres. Jetzt hat sie über das Wichtigste und Schönste geschrieben, das wir besitzen: Wasser. Und die Liebe.

Maja Lunde. Foto: Oda Berby

"Natürlich freue ich mich. Gleichzeitig scheint es ein bisschen unwirklich. Besonders wenn ich im Ausland unterwegs bin und mir klar wird, wie groß die Wirkung ist. Es fühlt sich fast so an, als ob über eine andere Person gesprochen würde, sagt Maja und fügt hinzu: Dann tut es gut, wieder nach Hause zu kommen und bei meiner Familie zu sein. Da ist alles wie vorher."

Majas Autorenlaufbahn begann mit Kinderbüchern und TV-Drehbüchern, bevor Die Geschichte der Bienen (in deutscher Übersetzung von Ursel Allenstein erschienen bei btb Random House, norw. Bienes historie) ihr Leben auf den Kopf gestellt hat.

Die Geschichte der Bienen war im letzten Jahr das meistverkaufte Buch in Deutschland. Damit ließ Maja sowohl Dan Brown, Jeff Kinney als auch Elena Ferrante hinter sich. Bislang haben sich über 30 Länder (32 Sprachen) die Rechte des Romans gesichert. Und nicht nur Die Geschichte der Bienen ist ein Erfolg für Maja: Verlage in den USA, in Deutschland und Frankreich legten eine Menge Geld auf den Tisch, um sich die weiteren Bücher ihres angekündigten Klimaquartetts zu sichern.

Dem Erfolgstitel Die Geschichte der Bienen folgte ein neuer Roman über die Verwundbarkeit von Mensch und Natur und dem Lebensnotwendigsten, das es gibt: Wasser.

"Ohne Wasser können wir nicht existieren. Wasser ist lebenswichtig für uns. Es ist Wasser, wonach wir auf anderen Planeten suchen. Gleichzeitig ist es unglaublich schön. Das war der Ausgangspunkt für mein Buch Die Geschichte des Wassers (ebenfalls in deutscher Übersetzung von Ursel Allenstein bei btb Random House erschienen, norw. Blå)", erklärt Maja Lunde.

"Sie haben ja sehr aktuelle Themen gewählt - Klimakrise und Ökologie - und die Handlung in verschiedenen Erdteilen stattfinden lassen. Kam der internationale Erfolg wirklich vollkommen überraschend für Sie?"

"Das Buch, das ich schreiben wollte"

"Sie glauben also, dass ich mir einen marktorientierten Grundgedanken überlegt habe, um die Welt für mein Buch zu gewinnen? Dass ich auf den Erfolg spekuliert habe?, kontert Maja lachend. Nein, ich kann Ihnen versichern, dass es nicht so war. Ich schreibe die Bücher, die ich gerne schreiben möchte. Ich habe es früher schon einmal mit ein, zwei Romanmanuskripten versucht, hatte jedoch nie das Gefühl, dass es „richtig stimmte“. Die Manuskripte landeten in der Schublade. Doch plötzlich sah ich diese Fernsehdokumentation über die drohende Ausrottung der Bienen und da war mir klar, dass es dieses Thema war, in das ich mich einarbeiten wollte, dass es dieses Buch war, das ich schreiben wollte."

Ein außergewöhnliches Kind

Oft fängt es zu Hause an: "Es beginnt mit einer Idee. Und danach brauche ich sehr viel Zeit, um mich mit den Figuren bekannt zu machen, über die ich schreibe", berichtet Maja.

Und nicht zuletzt braucht sie Zeit für das, worüber sie schreibt. Maja hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass sie gerne recherchiert und sich in neue Themen und Geografien einarbeitet – sei es zu Hause, auf Spitzbergen oder an griechischen Stränden.

"Ich recherchiere für mein Leben gern und bin neugierig auf die Natur. Es gibt wohl kaum ein Thema, das nicht interessant wird, wenn man sich näher damit befasst."

"Waren Sie ein außergewöhnliches Kind?"

"Ja, ich besitze vielleicht ein ausgeprägtes Nerd-Gen und habe mich schon immer generell für Wissen interessiert. Also war ich vielleicht tatsächlich ein bisschen außergewöhnlich. Ich war eins von den Kindern, die sich gestört fühlten, wenn andere in der Klasse gelärmt haben, und man nicht alles mitbekam." Sie lacht herzlich und wird fast ein bisschen rot, als sie an ihr Musterschüler-Verhalten zurückdenkt.

Maja Lunde, Foto: Vebjørn Rogne

Jetzt liegt ihr die Welt sozusagen wie ein offenes Buch zu Füßen. Sie kann Wissen sammeln, wo sie nur will. Wir reden ein bisschen über ihre kürzlichen Auslandstouren und ich versuche, ihr Informationen zu entlocken:

"Die Recherchereisen könnten ja auch von Nutzen sein für Ihr neues Buch über …?"

"O, nein. Das werde ich Ihnen nicht verraten!"

Die Themen der beiden letzten Bücher Ihres angekündigten Klimaquartetts liegen also noch gut verschlossen im Tresor.

Sie fürchtet Rezensenten

Wie viele andere Autoren fürchtete Maja sich davor, wie Die Geschichte des Wassers aufgenommen werden würde.

"Ja, natürlich ist mir das Urteil der Rezensenten nicht egal. Ich gebe zu, dass ich an den Tagen vor dem Erscheinungstermin ziemlich nervös bin."

Wie sich gezeigt hat, war diese Angst auch diesmal vollkommen unbegründet. Insgesamt wird Maja Lunde weltweit von den Rezensenten gelobt.

"Sie haben ihre Examensarbeit über den norwegischen Filmregisseur Nils R. Müller geschrieben und viele TV-Drehbücher verfasst. Hat das Einfluss auf Ihren Schreibstil, indem Sie mehr in Bildern denken und „einen Film vor Augen haben“?

"Ja, das kann schon sein. In gewisser Weise sehe ich die Szenen vor mir wie in einem Film. Ab und zu kommt es vor, dass sich der Roman realer anfühlt als die Wirklichkeit, wenn man sich in das Seelenleben der Figuren einfühlt."

Sie schreibt überall

Frischgebackene internationale Starautorin und gleichzeitig Mutter von drei Kindern zu sein, ist nicht so einfach. Die Kinder brauchen Aufmerksamkeit, Bücher müssen weltweit lanciert werden, neue Bücher müssen geschrieben werden. Was den letzten Punkt angeht, ist Maja glücklicherweise sehr anpassungsfähig.

"Ich kann überall schreiben. Zu Hause mit den Kindern um mich herum. Wenn ich am Flughafen eine halbe Stunde warten muss, schreibe ich. Und hätten Sie mir jetzt nicht gegenübergesessen, hätte ich bestimmt auch geschrieben."

"Sie haben sehr früh angekündigt, dass es eine vierbändige Reihe werden soll. Fürchten Sie nicht, dass Sie sich dadurch unnötig unter Druck gesetzt und sich selbst eine Art Zwangsjacke verpasst haben?"

"Nein, ich empfinde es als etwas Befreiendes. Für mich ist es eine Freude, über das schreiben zu können, was mir wichtig ist, über das, worauf ich Lust habe."

Die Geschichte der Bienen war wie ein Märchen für Maja Lunde. Ihre Bücher wurden in 30 Länder verkauft, und das bringt Buchvorstellungen und Lesungen und in allen Teilen der Welt mit sich. Sie gibt zu, dass die langen Auslandsreisen kein reines Vergnügen sind:

"Es ist eine große Freude mitzuerleben, dass meine Bücher um die Welt reisen. Gleichzeitig ist es hektisch und ein bisschen einsam. Ich kann meine Familie nicht mitnehmen und wäre lieber bei ihnen zu Hause. Das Programm ist sehr vollgepackt, weshalb ich mir längst nicht so viel ansehen kann, wie ich es mir auf diesen Reisen wünschen würde."

Sie hat beschlossen optimistisch zu sein

Die Treffen mit Journalisten und Rezensenten können sehr interessant und von Land zu Land sehr unterschiedlich sein:

"Die Deutschen sind sehr gut informiert und das spiegelt sich auch in ihren Fragen zu Klima und Ökologie. Die polnischen Rezensenten finden meine Bücher „unnorwegisch“, während andere glauben, dass sie nordisches Gedankengut mit erdverbundenen und sozialdemokratischen Werten in sich tragen und darauf hinweisen, wie wichtig es ist, aufeinander achtzugeben. In Dänemark findet man, dass Die Geschichte der Bienen ein zu positives Ende hat."

"In einer Talkshow wurde John Cleese gebeten, die sonderbarste Frage zu nennen, die ihm jemals gestellt wurde. Er berichtete, dass es die folgende Frage eines norwegischen Zuschauers gewesen sei: „Wenn Sie ein Flugzeugteil wären, welches Teil würden Sie gern sein?“ Was war die sonderbarste Frage, die man Ihnen gestellt hat?"

"In Polen war ich einmal früh am Morgen in einem Fernsehstudio. Der Journalist, ein todernster Mann, stellte mir folgende Eröffnungsfrage: „Sind wir verloren?“ Ich dachte, dass es nach so einer Frage nur noch besser werden kann", sagt Maja und lacht herzlich.

"Und? „Sind wir verloren“?"

"Nein, ganz und gar nicht. Wenn ich denken würde, dass alles höllenschwarz wäre, hätte ich diese Bücher nie geschrieben. Ich entscheide mich lieber dafür, optimistisch zu sein, und glaube daran, dass wir Menschen all diese Herausforderungen in den Griff bekommen können."

Aus dem Norwegischen von Inge Wehrmann

Für mehr Information

www.majalunde.com

Verlag Random House: Maja Lunde

Oslo Literary Agency: Maja Lunde

Books from Norway: Die Geschichte des Wassers

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