Die Übersetzerstafette: Nora Pröfrock

Nachrichten
Interview
Geschrieben von Anna Schüller

In der fünften Runde geht die Übersetzerstafette an Nora Pröfrock. Sie hat Skandinavistik und Literarisches Übersetzen aus dem Englischen studiert und übersetzt seit 2011 Belletristik, Kinder- und Jugendliteratur und Sachbücher aus dem Norwegischen, Dänischen, Schwedischen und Englischen ins Deutsche. Momentan arbeitet sie gemeinsam mit Ina Kronenberger an der Übersetzung von Carl Frode Tillers "Begynnelser".

Nora Pröfrock mit Vigdis Hjorths "Arg og miljø", Foto: Privat

Den ÜbersetzerInnen und ihrem hervorragenden Einsatz ist es zu verdanken, dass norwegische Literatur heute so erfolgreich in die Welt hinausgetragen werden kann. Um Licht auf ihre anspruchsvolle Arbeit zu werfen, haben wir eine Interviewreihe mit dem Titel „Die Übersetzerstafette“ gestartet, um Übersetzer und Übersetzerinnen, die aus dem Norwegischen ins Deutsche übersetzen, besser kennenlernen.

In der fünften Runde geht die Übersetzerstafette an Nora Pröfrock. Sie hat Skandinavistik und Literarisches Übersetzen aus dem Englischen studiert und übersetzt seit 2011 Belletristik, Kinder- und Jugendliteratur und Sachbücher aus dem Norwegischen, Dänischen, Schwedischen und Englischen ins Deutsche. Momentan arbeitet sie gemeinsam mit Ina Kronenberger an der Übersetzung von Carl Frode Tillers Begynnelser.

Liebe Nora, wann haben Sie sich entschieden und was hat Sie dazu motiviert Übersetzerin zu werden?

Übersetzt habe ich eigentlich schon in der fünften Klasse, als ich anfing, meine erste Fremdsprache zu lernen. Aus für mich heute unerfindlichen Gründen war das damals Latein, da gehörte das schriftliche Übersetzen kleinerer Erzähltexte von Anfang an dazu. Englisch, das zwei Jahre später hinzukam, habe ich mir größtenteils durch das Übersetzen von Liedtexten erschlossen, mit begrenzten Hilfsmitteln, was zum Teil zu sehr lustigen Übersetzungen geführt hat. Aber das Finden deutscher Worte für fremdsprachige Texte hat mir immer schon Spaß gemacht. Zur Berufswahl wurde das Ganze dann gegen Ende meines Skandinavistikstudiums, durch ein Seminar zur praktischen Kulturvermittlung, das unsere sehr engagierte Professorin Karin Hoff damals organisiert hat. Da haben wir Textausschnitte von Brit Bildøen, Christina Hesselholdt und Steve-Sem Sandberg in Kleingruppen übersetzt, lektoriert und zum Abschluss auf einer selbst organisierten Lesung mit den AutorInnen präsentiert. Paul Berf war auch einen Tag da und hat uns von seinem Berufsalltag erzählt. Seine Gutachtenbeispiele haben mir jahrelang als Vorlage gedient. Auch Gabriele Haefs, die ich bei den NORLA-Seminaren in Rendsburg kennengelernt habe, hat mir damals viele wertvolle Tipps gegeben. Bis zum ersten Auftrag hat es aber trotzdem noch einige Jahre gedauert. Nach dem Aufbaustudium „Literarische Übersetzung aus dem Englischen“ in München kam dieser dann aber endlich. Seitdem möchte ich nichts anderes mehr tun.

Wo arbeiten Sie für gewöhnlich an Ihren Übersetzungen?

Ich habe ein Arbeitszimmer zu Hause und einen Schreibtisch in der „Skrivestue“ im Literaturhaus von Bergen. Das ist ein ganz wunderbares Angebot für Schreiberlinge aller Art, die dort kostenlos einen Arbeitsplatz nutzen können, sofern gerade einer verfügbar ist. So aufgeräumt wie auf dem Foto ist es bei mir zu Hause in der Regel nie, aber weil ich gerade erst umgezogen bin, ist das meiste noch in Kartons verpackt.

Noras Schreibtisch zuhause in Bergen, Foto: Nora Pröfrock

Sie übersetzten viele Werke in Zusammenarbeit mit KollegInnen. Was sind die Vor- und Nachteile beim Zusammen-Arbeiten?

Zu den größten Herausforderungen des Übersetzerdaseins gehört für mich das Jonglieren mit den Abgabefristen. Es passiert immer wieder, dass Projekte verschoben oder vorgezogen werden oder dass man gerade etwas zugesagt hat, dann aber ein Traumprojekt kommt, das man auf keinen Fall absagen will. Natürlich gibt es auch Flauten, in denen mal gar nichts los ist und man sich Sorgen macht, wo die nächste Miete herkommen soll. Oder man wird privat aus der Bahn geworfen und steht plötzlich vor einem nicht zu bewältigenden Aufgabenberg. In solchen Fällen sind Kollegen, mit denen man zusammenarbeiten kann, ein wahrer Segen. Außerdem besteht bei einem so eigenbrötlerischen Job ja immer auch die Gefahr, etwas zu sehr im eigenen Saft zu schmoren. Bei Co-Übersetzungen lerne ich eigentlich immer dazu, vor allem, wenn genug Zeit ist, um sich bis zum Abgabetermin noch gründlich gegenseitig zu lektorieren. Geht das zeitlich nicht, stimme ich mich mit den Kollegen gern über Wortlisten ab, und auch wenn ich allein an einer Übersetzung arbeite, stehe ich eigentlich in ständigem Austausch mit anderen. Gemeinsam findet man oft einfach die besten Lösungen – die Erfahrung mache ich immer wieder.

Wie gelingt es der Übersetzungsszene die Balance zwischen Konkurrenzdenken und Hilfsbereitschaft zu finden?

Da kann ich im Grunde nur für mich sprechen. Ich empfinde das Kollegennetzwerk als etwas so Wichtiges und Bereicherndes, dass die Rücksicht auf Kollegen für mich immer oberste Priorität hat. Natürlich kann man nicht immer alles im Blick haben, und es ist mir auch schon passiert, dass auf meinem Schreibtisch ein Text gelandet ist, der eigentlich woanders hingehört hätte. Das lag zwar zum Teil daran, dass ich vom Verlag nicht richtig informiert wurde, aber trotzdem habe ich mich im Nachhinein geärgert, dass ich nicht aufmerksamer war und nicht sicherheitshalber noch mal Rücksprache gehalten habe. Gute, langfristige Kollegenkontakte sind mir viel mehr wert als einzelne, kurzfristige Aufträge. Außerdem glaube ich, dass im Grunde genug Arbeit für uns alle da ist.

Welche Übersetzungen bereiten Ihnen persönlich am meisten Freude? Und was unterscheidet die Übersetzung von literarischen und Sachtexten?

Am liebsten übersetze ich Texte, denen man vertrauen kann, weil ein deutlicher Gestaltungswille dahinter spürbar ist. Mit anderen Worten: wenn der Autor oder die Autorin schreiben kann und mir das Geschriebene etwas sagt. Das gilt für Belletristik genauso wie für Sachbücher. Je schwammiger und unentschlossener der Text, desto schwieriger die Arbeit. Den bisher größten Spaß beim Übersetzen hatte ich 2018 mit dem Kinderbuch Alt som teller von Ingrid Ovedie Volden. Es kommt so bescheiden daher und ist dabei so klug und mit so viel Freude an der Sprache geschrieben, dass man sich einfach sofort davon anstecken lässt. Der deutsche Titel lautet Unendlich mal unendlich mal mehr (Thienemann) und hat auch schon ein paar schöne Besprechungen bekommen. So etwas freut mich dann natürlich ganz besonders.

Welches norwegische Werk liegt Ihnen besonders am Herzen?

Ich bin ein großer Vigdis Hjorth-Fan. Arv og miljø (Bergjljots Familie, in der Übersetzung von Gabriele Haefs im Osburg Verlag erschienen) hat mich wirklich tief beeindruckt, das Buch habe ich wie im Fieberwahn gelesen, und seitdem verschlinge ich alles, was ich von ihr in die Finger bekomme. Mich fasziniert einfach die Vielschichtigkeit ihrer Texte, wie sie immer auch in Dialog mit anderen Texten oder Kunstwerken oder philosophischen Ideen tritt und gleichzeitig hat sie Humor. Es geht immer um die Wurst bei ihr.

Sie leben ja bereits seit einigen Jahren in Norwegen. Ihre Kollegin Christel Hildebrandt, die Ihnen den Staffelstab weitergereicht hat, möchte gerne von Ihnen wissen, welche Probleme es für die Arbeit mit sich bringt, wenn man nicht im Land der Zielsprache lebt.

Die Probleme sind meist praktischer Natur. Dass ich z.B. nicht einfach in die nächste deutsche Bibliothek gehen kann, um ein Zitat nachzuschlagen. Da hilft dann wieder das geschätzte Kollegennetzwerk (ich kann es gar nicht genug loben). Seit ich in Norwegen lebe, ist der bürokratische Aufwand auch etwas größer (Buchhaltung in zwei Währungen, alle drei Jahre neue Steuerfreistellungen usw.). Dass ich im Alltag nicht von meiner Zielsprache umgeben bin, hat vor allem dazu geführt, dass mein Falscher-Freunde-Alarm viel schneller anspringt als früher, aus Angst, mir könnte aus Versehen irgendwas durchrutschen. Im Grunde mache ich mir aber keine großen Sorgen um mein Deutsch. Mein Mann kommt auch aus Deutschland und hat ein feines Gespür für Sprachen, wir haben hier also unsere eigene kleine Enklave, und ich gucke auch immer brav die Tagesschau.

An wen möchten Sie die Übersetzerstafette weiterreichen? Und welche Frage möchten Sie beantwortet wissen?

Ich reiche weiter an Stefan Pluschkat, der viel aus dem Schwedischen übersetzt und für seine Übersetzung von Lina Wolffs „De polyglotta älskarna“ erst kürzlich mit dem Förderpreis für literarische Übersetzung 2018 ausgezeichnet wurde. Letzten Herbst haben wir zusammen Per Egil Hegges "Den norske folkesjela. Ordene som forteller hvem vi er" übersetzt und uns dabei mit Wörtern wie "dugnad" oder "lutefisk" beschäftigt, die uns Norwegisch-Übersetzer*innen schon mal vor echte Probleme stellen können (das Buch erscheint im April übrigens unter dem Titel "Norwegen von A bis Ø. Der etwas andere Reiseführer" bei Suhrkamp/Insel). Meine Frage an Stefan: Wann stößt du an deine übersetzerischen Grenzen? Glaubst du, es gibt Dinge, die schlicht unübersetzbar sind, oder ist alles nur eine Frage der Kreativität?

Die Übersetzerstafette