Unsere Buchhandlungsfreunde: Florian Valerius

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Buchhändlerinterview

Dürfen wir vorstellen: Deutschlands vielleicht bekanntester Buchhändler und Bookstagrammer, Florian Valerius! Der ambitionierte Trierer begeistert täglich zahlreiche Kunden und Follower für die Literatur und wird sind sehr froh, ihn schon mehrfach bei uns in Oslo zu Besuch gehabt zu haben.

Der engagierte Buchhändler Florian Valerius auf der Arbeit in der Trierer Buchhandlung Stephanus, Foto: Privat.

Lieber Florian, warum sind Sie Buchhändler geworden?

Ich komme aus einem Milieu, in dem nie viel gelesen wurde. In meiner Familie, in der Schule, bei meinen Freunden aus der Kindheit war ich schon immer eher das „schwarze Schaf“, weil ich schon immer lesen wollte und gelesen habe, und alles getan habe, um an Bücher zu kommen.

Man erzählt, schon im Kindergarten hätte ich so getan, als könne ich lesen: Ich konnte „Die kleine Hexe“ von Otfried Preußler auswendig aufsagen, hatte das Buch auf meinem Schoß, bewegte die Finger über die Zeilen und sprach den Text (nach).

In der Oberstufe später wählte ich natürlich Deutsch Leistungskurs und absolvierte mein Schulpraktikum in einer kleinen Buchhandlung.

Als ich nach dem Abitur meinen Zivildienst in einem Behindertenwohnheim absolvierte, kam ich auf die Idee, Sozialpädagogik zu studieren. Leider war mir dies zu trocken – ich brauchte Bewegung und Kommunikation. Als ich während dieser Zeit an der Uni-Buchhandlung vorbeilief, hing dort ein Schild: „Azubi gesucht!“: Meine Leidenschaft flammte sofort auf – ich bewarb mich und eine Woche später begann ich meine Ausbildung. Heute, 16 Jahre später bin ich Filialleiter eben jener Buchhandlung.

Seit Jahren habe ich mein Stammpublikum, Menschen, die ich nahezu täglich sehe – Lebenswege, die ich verfolgen darf, Kinder, deren Heranwachsen ich verfolge, Hochzeiten, Trennungen – Sterbefälle. Das echte Leben eben. Ich kenne die Vorlieben der Menschen, die mich aufsuchen, ich weiß, wer was wann gelesen hat und wer welches Buch zum Geburtstag und zu Weihnachten geschenkt bekommen hat – und noch viel mehr darüber hinaus. Menschen kommen von weit hergefahren, weil die Mama oder die beste Freundin irgendwann mal von meinen Buchempfehlungen geschwärmt haben – und nun ein Geschenk für eben jene Person suchen.

Ich bin Berater, Psychologe, Freund. Das möchte ich an keinem einzelnen Tag missen.

Beschreiben Sie doch bitte die letzten Meter Ihres Weges, wenn Sie morgens zu Ihrer Buchhandlung kommen.

Nach einer 20-minütigen Busfahrt steige ich aus, erfreue mich an der frischen Luft, laufe über das Unigelände (Was zu jeder Jahreszeit ein großes Vergnügen ist: Im Frühling alles voller Kirschblüten, im Sommer ein saftiges Grün unter schattenspendenden Bäumen, im Herbst (meiner Lieblingsjahreszeit) alles voll von goldenem Laub und im Winter des Öfteren alles in weißem Schnee versunken.) In der Buchhandlung angekommen, folge ich meinem täglichen Ritual: Kaffeemaschine an, Pc´s hochfahren, einen kurzen, ersten Überblick über den Tag mit Hilfe des Kalenders verschaffen, Kaffee kochen und diesen, bevor alles losgeht, mit einer Zigarette hinter der Buchhandlung genießen.

Den Tag über... Wenn sich die Tür zu Ihrem Laden öffnet, und jemand hereinkommt....

Den Tag über … verbringe ich meist redend. Kunden, Kollegen, der Mund und Geist steht nie still.

Quatschen, empfehlen, beraten, recherchieren. Die Buchhandlung fühlt sich an wie mein Wohnzimmer – und so soll es sich für die Kunden auch anfühlen. Deshalb, wenn die Tür sich öffnet und jemand hereinkommt, gibt es erstmal eine herzliche Begrüßung!

Was ist das Wunderbare, das geschieht, wenn wir lesen?

Ein Verlag warb mal mit dem Slogan „Lesen heißt träumen mit offenen Augen“ – das trifft es schon sehr gut. Jedes Buch eröffnet seinem Leser Welten, egal ob nah oder fern. Lässt seinen Leser in fremde Rollen schlüpfen, ihn Dinge erleben, Gefühle spüren, die er bisher vielleicht weder kannte noch erahnt hat.

Für mich gibt es nichts Spannenderes, als in fremde Gedanken- / Gefühlswelten einzutauchen, neue Denkperspektiven zu erfahren – aber auch: Gedanken, die mir schon immer im Kopf herumschwirrten, in wunderschöne Literatur „gegossen“ zu sehen!

Viele Menschen sagen, ihnen fehle die Zeit zum Lesen. Wo lässt sie sich finden?

Bullshit!

Smartphone aus!

Netflix aus!

Lasst Euch vom Buchhändler Eures Vertrauens beraten, der hat sicher das richtige Buch für Euch.

Lesen.

Gibt es ein Leseerlebnis mit einem norwegischen Buch, an das Sie sich gern erinnern?

Schon in meiner Kindheit prägte mich die norwegische Literatur sehr: Mit 12 las ich – wie wohl die meisten Menschen meiner Generation – Sophies Welt von Jostein Gaarder – eine Lektüre, die mich stark geprägt, fasziniert und verändert hat. Zum ersten Mal begann ich mir Gedanken über das Leben und den ganzen Rest zu machen. In Folge verschlang ich alle weiteren Werke von Gaarder: „Das Kartengeheimnis“ und „Durch einen Spiegel in einem dunklen Wort“ – beide Bücher haben mich tief beeindruckt und geistern noch heute durch meinen Kopf.

Florian und seine Kollegin Alexandra Stiller mit Autor Jostein Gaarder während des Deutsch-Norwegischen Literaturfestivals im April 2019 in Oslo. Foto: NORLA.

(So war es auch ein absolutes Highlight für mich, dem Autor höchstpersönlich in Oslo zu begegnen.)

Schwer beeindruckt in letzter Zeit haben mich all die tollen norwegischen Frauen, die wahnsinnig spannende Sachbücher schreiben: Nina Brochmann & Ellen Støkken Dahl mit „Viva la Vagina“ und Hilde & Ylva Østby mit „Nach Seepferdchen tauchen“.

Florian und Alexandra trafen Ellen Støkken Dahl auf dem Deutsch-Norwegischen Literaturfestival im April 2019 in Oslo. Foto: NORLA

Momentan versinke ich aber komplett im Norwegen des Jahres 1880 mit Lars Mytting und „Der Glocke im See“ – eine ganz wunderbare Lektüre mit einer beeindruckenden und unvergesslichen Protagonistin!!!

Wenn auch Sie neugierig auf Florian und dessen Buchtipps geworden sind, besuchen Sie ihn unbedingt auf Instagram.

Besuchen Sie die Website der Trierer Buchhandlung Stephanus hier.

Sie sind selbst auch Buchhändlerin oder Buchhändler und haben Lust sich vorzustellen, dann lesen Sie hier, wie Sie mitmachen könnnen!

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