Unsere Buchhandlungsfreunde: Benedikt Rüssel

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Buchhändlerinterview

Heute möchten wir Ihnen unseren Nürnberger Buchhandlungsfreund Benedikt Rüssel vorstellen. Herr Rüssel ist Inhaber der Buchhandlung Rüssel, deren Leitung er als Student in den 1970er Jahren unverhofft übernahm.

Benedikt Rüssel in seiner Nürnberger Buchhandlung, Foto: Privat

Lieber Herr Rüssel, warum sind Sie Buchhändler geworden?

Mein Vater war Buchhändler und besaß eine Buchhandlung. Ich aber wollte als Jugendlicher und junger Mann gar nicht Buchhändler werden. Als er jedoch völlig unerwartet im Alter von gerade 60 Jahren starb, beschloss ich, vorübergehend seine Buchhandlung bloß zu verwalten, bis sie verkauft oder ich sie doch weiterführen würde: ich stand einstweilen knapp vor dem Ende eines Studiums (unter anderem der Germanistik und Politik), das ich damals noch abschließen wollte. Ich war sicher, meine vielfältigen Kenntnisse der Literatur würden allemal ausreichen, um einen Laden sehr gut führen zu können – freilich ein Irrtum.

Zunächst wurde ich also angelernt von den Mitarbeiterinnen meines Vaters, um nicht nur von meinem literarischen Urteil zu leben, sondern auch ein Geschäft führen zu können, sowohl betriebswirtschaftlich wie auch, was das Eingehen auf die Bedürfnisse der hoffentlich lesenden Kunden betrifft. So wurde ich nach und nach ein Buchhändler und blieb es dann - seit nunmehr mehr als fünfundvierzig Jahren.

Beschreiben Sie doch bitte die letzten Meter Ihres Weges, wenn Sie morgens zu Ihrer Buchhandlung kommen.

Damals und bis vor 5 Jahren war meine Buchhandlung Bestandteil eines großen Einkaufszentrums. Schließlich musste ich den Standort wechseln in einen Vorort, an die dortige Hauptstraße mit Bäckerei, Apotheke, Fleischerei gegenüber, kleinem Supermarkt, Gartenlokal.

Und auf einmal gibt es Licht, Tageslicht, Aussicht auf Bäume, Gras, Eichhörnchen und Krähen, Wolken, Sonne und Regen, sogar manchmal Schnee. Und es gibt Stille und einzelne Stimmen, Gespräche, Fragen und Kinderweinen oder lachen. Nicht mehr aber ein ständiges Rauschen bestehend aus vielen vielen unidentifizierbaren sich vermischenden Geräuschen von Rolltreppen, Musikbeschallung, Lautsprecherdurchsagen, Hunden und lärmenden Menschen.

Den Tag über...

Wenn sich die Tür zu Ihrem Laden öffnet, und jemand hereinkommt....

Heute also, wenn ich in meinen Laden komme, trinke ich manchmal die erste Tasse Kaffee vor der Ladentür mit Blick auf die Umgebung und ein Nachbar grüßt.

Und abends erzähle ich manchmal im sehr gut besuchten Ladenlokal vor einer Runde von Zuhörern und eventuell Mitdiskutanten zu einem Glas Wein von jeweils mehreren neuen Romane aus aller Welt, von ihrer Faszination, ihrer Sprache, ihrem Ton, ihren literarischen Bildern und natürlich auch ihrer Story.

Benedikt Rüssel, Foto: Anna Sokol

Was ist das Wunderbare, das geschieht, wenn wir lesen?

Manchmal sind wir an einem fernen Ort, manchmal in einer anderen Zeit, manchmal nur bei uns. Und manchmal sind wir erst tief in der Nacht und auch dann nicht fertig damit, uns klarzumachen, warum uns ein Buch eigentlich gefällt und nicht loslässt, das uns von Dingen erzählt, für die wir uns noch nie interessiert hatten.

Viele Menschen sagen, ihnen fehle die Zeit zum Lesen. Wo lässt sie sich finden?

Die Zeit zum Lesen fehlt nur Menschen, die gar nicht bemerkt haben, dass sie ohne Not verzichten auf ein großes Stück Lebensgenuss. Zur Literatur wie zur Musik, zum Genuss des Schönen überhaupt gibt es Gelegenheit jeden Tag, heutzutage selbst bei der Fahrt zur Arbeit oder anstelle blöder TV-Unterhaltung.

Gibt es ein Leseerlebnis mit einem norwegischen Buch, an das Sie sich gern erinnern?

Wo anfangen? Wo aufhören? Von den Klassikern mal abgesehen:

Von Per Petterssons Sehnsucht nach Sibirien und Pferde stehlen kann ich heute noch – viele Jahre nach der Lektüre – genau erzählen. Und ich mache es auch immer mal wieder.

Und Karin Fossums Kriminalromane um Konrad Sejer gehörten für mich seit ihrem Erscheinen in deutscher Sprache von vornherein zum Überragenden, was jemals auf diesem Gebiet geschrieben wurde, neben den frühen Büchern von Anne Holt.

Und jetzt heute:

Matias Faldbakkens The Hills und Johan Harstads Max, Mischa und die Tet-Offensive. Unter uns: Finden sie so etwas mal in der deutschen Literatur!?!

Besuchen Sie die Website der Buchhandlung Rüssel hier.

Sie sind selbst auch Buchhändlerin oder Buchhändler und haben Lust sich vorzustellen, dann lesen Sie hier, wie Sie mitmachen könnnen!

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