Gedicht der Woche, Woche 47: Terje Johanssen "Stadt im Norden"

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Lassen Sie sich, mit 52 Gedichten, wöchentlich mitnehmen auf eine Reise, die Ihnen im Gastlandjahr 2019 die Poesie aus Norwegen näherbringt.

STADT IM NORDEN Eisiges Licht. Kaltes Blut. Grauäugiger Horizont. So gleichbleibend verwundbar wie ein Mensch weit weg und klein, unter Decken von graugrüner Flechte. All diese Stunden, Geklirr von Tellern, schwache Rufe, Geruch von Teer und Jod. Und am Abend: die Schiffe mit ihrem dreimaligen Tuten und dem Klang ihrer Messingglocken vor der Stunde der Abfahrt. Dunkles, wogendes Meer. Straßen ohne Häuser, Häuser ohne Straßen. Und eine nasse, kreischende Möwe über einem Wellblechdach. Übersetzung von Michael Buselmeier
BY I NORD Isende lys. Kaldt blod. Gråøyet horisont. Så uforanderlig sårbar som et menneske langt borte, lite, under tepper av grågrønt lav. Alle disse timene, klirr i tallerkener, små rop, lukt av tjære og jod. Og om kvelden: skipene med sine tredoble støt og sine slag i messingklokker før avgangens time. Mørkt, bølgende hav. Gater uten hus, hus uten gater. Og en våt, skrikende måke over et bølgeblikktak.

Aus Terje Johanssen (1942–2005), By 1990, Gyldendal Norsk Forlag, Oslo 1990. Die deutsche Übersetzung stammt aus Terje Johanssen, Die ertrunkene Stadt, Verlag das Wunderhorn, Heidelberg 1998.

Gedicht der Woche. 52 Gedichte durch das Jahr

Seit den ersten Niederzeichnungen mit Felszeichnung und Runeninschrift, genießt die Dichtung und die Poesie eine starke Stellung in Norwegen. Durch die wöchentliche Präsentation eines Gedichts im Jahr 2019, möchten wir die Qualität und Vielfältigkeit der norwegischen Poesie beleuchten. "Gedicht der Woche" stellt 52 Gedichte vor, die vom Jahresablauf und den wechselnden Jahreszeiten inspiriert sind. Die Auswahl ist von Annette Vonberg und Tone Carlsen getroffen worden und umfasst Lyrik von den ersten Handschriften bis hin zu zeitgenössischer Poesie.

Gedicht der Woche