1
Trittst du über die Schwelle
fremden Hauses,
sei achtsam,
sei wachsam,
denn nicht kannst du wissen,
ob Feinde drinnen
schon auf dich warten.
2
Werter Wirt!
Ein Gast ist gekommen,
wo soll er sitzen?
Anstoß nimmt er,
wenn er beim Brennholz an der Tür
sein Anliegen ausführen soll.
3
Feuer braucht der Gast,
der eben eintrat
und kalt um die Knie ist,
Speise und Kleidung
tun dem Mann not
nach der Reise übers Gebirge.
Übersetzung von Annette Vonberg
1
Augo du bruke
før inn du gjeng,
i kot og i kråom,
i kot og i krokom.
For d' er uvisst å vita
kvar uvener sit
føre din fot.
2
Sæl den som gjev!
Gjest er inn komen,
kvar finn han sess åt seg?
Brå vert den
som på brandom skal sitja
og føre ærend fram.
3
Eld han treng
som inn er komen
og om kne kulsar.
Til mat og klede
den mann hev trong
som hev i fjell fari.
*
1
Gáttir allar,
áðr gangi fram,
um skoðask skyli,
um skyggnast skyli,
því at óvíst er at vita,
hvar óvinir
sitja á fleti fyrir.
2
Gefendr heilir!
Gestr er inn kominn,
hvar skal sitja sjá?
Mjök er bráðr,
sá er á bröndum skal
síns of freista frama.
3
Elds er þörf,
þeims inn er kominn
ok á kné kalinn;
matar ok váða
er manni þörf,
þeim er hefr um fjall farit.
Aus der Håvamål, übersetzt von Ivar Mortensson-Egnund, Det Norske Samlaget, Oslo 1986.
Gedicht der Woche. 52 Gedichte durch das Jahr
Seit den ersten Niederzeichnungen mit Felszeichnung und Runeninschrift, genießt die Dichtung und die Poesie eine starke Stellung in Norwegen. Durch die wöchentliche Präsentation eines Gedichts im Jahr 2019, möchten wir die Qualität und Vielfältigkeit der norwegischen Poesie beleuchten. "Gedicht der Woche" stellt 52 Gedichte vor, die vom Jahresablauf und den wechselnden Jahreszeiten inspiriert sind. Die Auswahl ist von Annette Vonberg und Tone Carlsen getroffen worden und umfasst Lyrik von den ersten Handschriften bis hin zu zeitgenössischer Poesie.