In der sechsten Runde geht die Übersetzerstafette an den sympathischen Übersetzer Stefan Pluschkat. In dem Interview verrät uns der Hamburger, der vor Kurzem den Hamburger Förderpreis für literarische Übersetzungen erhielt, wann er beim Übersetzen schon mal an seine Grenzen stößt.
Den ÜbersetzerInnen und ihrem hervorragenden Einsatz ist es zu verdanken, dass norwegische Literatur heute so erfolgreich in die Welt hinausgetragen werden kann. Um Licht auf ihre anspruchsvolle Arbeit zu werfen, haben wir eine Interviewreihe mit dem Titel „Die Übersetzerstafette“ gestartet, um Übersetzer und Übersetzerinnen, die aus dem Norwegischen ins Deutsche übersetzen, besser kennenlernen.
Geboren wurde Stefan Pluschkat am Silvesterabend 1982 ,in Essen. Nach der Schule hat er zwei Jahre am Theater gearbeitet und danach Komparatistik und Philosophie in Bochum und Göteborg studiert. Anschließend hat er einige Jahre in Schweden verbracht, lebt aber inzwischen in Hamburg und übersetzt Romane, Sach- und Kinderbücher aus dem Schwedischen und, noch recht frisch, auch aus dem Norwegischen. Gerade wagt er sich zum ersten Mal an Theaterstücke, zumindest in Auszügen, und zwar im Gespann mit seiner lieben und glücklicherweise sehr theatererfahrenen Kollegin Elke Ranzinger. Die Texte sind von Kathrine Nedrejord und Mari Hesjedal.
Lieber Stefan, wann haben Sie sich entschieden und was hat Sie dazu motiviert Bücher zu übersetzen?
Tja, wie fing das an? In der Schule war mein Lieblingsfach Latein. Ich fand es unheimlich spannend, die Texte geradezu detektivisch zu entschlüsseln und ins Deutsche zu bringen. In der Oberstufe habe ich mir ein Attest ergaunert, damit ich statt Sport lieber noch eine Fremdsprache belegen konnte. Daran, Übersetzer zu werden, habe ich damals aber noch lange nicht gedacht. In meiner Studienzeit wolle ich kurzzeitig mal Lektor werden. Durch ein Verlagspraktikum kam ich dann zum ersten Mal mit dem Literaturübersetzen in Berührung, und in einem Anflug von jugendlicher Hybris dachte ich: Das kannst du auch! Fast hätte ich ein Volontariat im Verlag angeschlossen, aber chronisches Fernweh trieb mich in letzter Sekunde nach Schweden, wo ich die nächsten Jahre kleben blieb. Irgendwann hat mich die Sehnsucht, mit literarischen Texten zu arbeiten, aber doch wieder gepackt, und daraufhin habe ich meine ersten Übersetzerschritte gewagt. Motiviert hat mich wahrscheinlich schon immer ein großes Interesse an Geschichten und Sprache(n). Gut, Tierarzt wollte ich auch mal werden, aber spätestens bei der ersten Operation wäre ich vermutlich aus den Latschen gekippt.
Sie sind ja noch in der Anfangsphase ihrer Übersetzerkarriere, wurden aber vor Kurzem schon mit dem Hamburger Förderpreis für literarische Übersetzungen für Ihre Übersetzung des Romans Die polyglotten Liebhaber von Lina Wolff aus dem Schwedischen, ausgezeichnet. Wie gehen Sie vor um sich in der Branche zu etablieren und Aufträge an Land zu ziehen?
Ich übersetze jetzt seit etwa vier Jahren, und bislang hatte ich das Glück, dass irgendwie doch immer ein Auftrag kam, wenn gerade eine Flaute drohte. Schwierig ist es natürlich, die Bücher zu bekommen, für die man wirklich brennt – und bei denen das Übersetzen am meisten Spaß macht. Ich will ehrlich sein: Jedes Buch, das ich übersetzt habe, würde ich nicht unbedingt auf die berühmte einsame Insel mitnehmen wollen, aber trotzdem kann man bei jedem Text etwas lernen und an seinen Aufgaben wachsen! Die Aufträge kamen auf ganz unterschiedlichen Wegen. Durch Empfehlungen von KollegInnen, weil ich für die LektorInnen schon mal Gutachten geschrieben hatte, und in zwei Fällen konnte ich einen Verlag für Bücher finden, die ich mochte. Um sich zu etablieren, ist es außerdem hilfreich, Buchmessen zu besuchen und LektorInnen kennenzulernen, was mich aber ehrlich gesagt immer ziemliche Überwindung kostet. Ich war noch nie besonders gut darin, auf Leute zuzugehen, und bin in solchen Situationen immer etwas überfordert. Da habe ich noch einiges zu lernen.
Wie gehen Sie an eine Übersetzung heran – beginnen Sie direkt mit der Übersetzung um die Spannung im Bezug zum Text zu erhalten, oder lesen Sie zunächst einmal das ganze Buch bevor Sie anfangen?
Ich versuche auf jeden Fall, das Buch erst einmal in aller Ruhe zu lesen, um ein Gefühl für den Text, den Sound und auch die Rechercheanforderungen zu entwickeln. Bei Krimis habe ich da aber durchaus auch schon Ausnahmen gemacht, damit es spannend bleibt. Die eigentliche Übersetzungsarbeit erfolgt dann in mehreren Schritten. Wichtig ist mir immer ein Durchgang auf Papier zum Schluss. Ich beneide die KollegInnen, die papiersparender arbeiten können.
Haben Sie neben dem Übersetzen noch weitere Tätigkeiten, denen Sie nachgehen?
Im Winter hatte ich einen Lehrauftrag an der Hamburger Uni, aber das war von vorneherein nur als Gastspiel geplant. Ich kann also nur ganz langweilig mit Nein antworten. Oder doch. Manchmal verdinge ich mich als Hundesitter, aber das hat nicht wirklich pekuniäre Gründe.
Haben Sie einen Übersetzer, eine Übersetzerin zum Vorbild - und wenn ja, wen und warum?
Natürlich gibt es viele ÜbersetzerInnen, die ich unglaublich gern lese, aus allen möglichen Sprachen. Dann gibt es einige KollegInnen, die mir dabei geholfen haben, Fuß zu fassen, und dafür bin ich extrem dankbar. Und mit einigen KollegInnen tausche ich mich ganz viel aus, mit manchen beinahe täglich. Und alle sind auf ihre Weise Vorbilder. Ich bin sehr glücklich, dass ich KollegInnen kennengelernt habe, von denen ich ständig dazulernen darf.
Welches norwegische Werk liegt Ihnen besonders am Herzen?
Oh, da gibt es einige. Aber wie immer bei solchen Fragen vergesse ich jetzt wahrscheinlich die wichtigsten. In Johan Harstad und Gunnhild Øyehaug bin ich schwer verknallt (wann kauft endlich mal ein Verlag Øyehaugs Knutar?). Aber um auch einen hierzulande noch gar nicht bekannten Autor zu nennen: Jan Grues Jeg lever et liv som ligner deres hat mich letztes Jahr sehr beeindruckt. Ich habe es im Zug gelesen, auf dem Weg von Amsterdam nach Hamburg, und irgendwo bei Osnabrück kullerten die Tränen. Dass das Buch gerade für den Preis des Nordischen Rats nominiert wurde, freut mich sehr.
Ihre Kollegin Nora Pröfrock, die Ihnen den Staffelstab weitergereicht hat und mit der sie vor Kurzem eine Co-Übersetzung aus dem Norwegischen zusammen gestemmt haben, möchte gerne von Ihnen wissen, wann stoßen Sie an Ihre übersetzerischen Grenzen? Glauben Sie, es gibt Dinge, die schlicht unübersetzbar sind, oder ist alles nur eine Frage der Kreativität?
Wann ich an meine Grenzen stoße? Okay, Hosen runter: jeden Tag. Vor allem die Anfangsphase einer Übersetzung finde ich perfide. Zunächst wird der Originaltext ja mehr oder weniger rabiat zerrupft und zertrampelt – zumindest bei mir. Und dass die Rohfassung nicht gleich „schön“ klingt, schürt bei mir jedes Mal einen Haufen Selbstzweifel: Treffe ich den richtigen Ton? Werde ich dem Text gerecht? Der Umgang mit solchen Zweifeln gehört für mich mit zu den größten Herausforderungen im Arbeitsalltag. Schwierig sind natürlich auch Texte, die aus sich heraus nicht überzeugen. Sei es, weil die Erzählperspektive schief ist, weil die Formulierungen schwammig sind – vor allem bei Sachbüchern –, oder weil die Fehlerquote gar surrealistische Sphären erreicht. Wenn man darum ringt, einen Fluss in den Text zu übersetzen, der im Original kaum angelegt ist. Was jetzt aber nicht heißen soll, an einem tollen anspruchsvollen Text könnte man nicht verzweifeln. Aber ein gut gearbeiteter Text trägt einen in gewisser Weise auch. Und wie gesagt, Buchmessen fallen für mich ebenfalls in die Kategorie Grenzerfahrung. Und was die (Un-)Übersetzbarkeit angeht … puh, ein großes Thema. Wie viel Zeit haben wir?
An wen möchten Sie die Übersetzerstafette weiterreichen? Und welche Frage möchten Sie beantwortet wissen?
Ich möchte die Übersetzerstafette gerne an meine liebe Kollegin und Mithamburgerin Ursel Allenstein weitergeben und von ihr erfahren, wie es war, über 1248 Seiten lang mit Johan Harstad zusammenzuleben?