Deutsche Spuren in Norwegen

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Geschrieben von VisitNorway

Norwegen und Deutschland sind seit vielen Jahrhunderten wirtschaftlich wie kulturell eng miteinander verbunden. Diese Beziehungen haben auch die Architektur einiger Städte geprägt.

Tyskebryggen (Deutsche Brücke), Foto: Kaitlyn Collins

Bergen

Im 14. Jahrhundert gründeten Kaufleute aus der Hansestadt Lübeck in Bergen ein Hansekontor. Sie errichteten ihre Wohn- und Handelshäuser an der Nordseite des Hafenbeckens. Dieses Areal hieß Jahrhunderte lang Tyskebryggen („Die deutsche Brücke“). Es ist gut anderthalb Hektar groß. Bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts hinein beherrschten die Kaufleute von dort den Handel entlang der norwegischen Küste und das Leben in der Stadt Bergen.

Die Originalbebauung fiel dem großen Stadtbrand von 1702 zum Opfer. Doch auch das folgende Ensemble von 61 Häusern ist so einheitlich und so außergewöhnlich, dass ihm 1979 der Status eines UNESCO-Weltkulturerbes zugesprochen wurde. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs heißt das Areal Bryggen.

Die nahe Marienkirche wird von alteingesessenen Bergensern noch heute Tyskekirken („Die deutsche Kirche“) genannt, weil sie von 1408 bis 1766 die Kirche der Hansekaufleute war. Die kostbaren Ausschmückungen haben die Reformation unbeschadet überstanden. Sie zeugen vom Reichtum des Hansekontors. Vieles am und im Gotteshaus holten die Kaufleute aus ihrer Heimat, das Triptychon beispielsweise ist eine norddeutsche Arbeit vom Ende des 15. Jahrhunderts.

Bryggen, Bergen Foto: Michael Fousert

Røros

Im 17. Jahrhundert lagen die weltweit bedeutendsten Bergbaugebiete in Sachsen und im Harz, dort lebten die besten Fachleute. Als 1620 die Silbergruben in Kongsberg und 1646 das Kupferbergwerk in Røros eröffnet wurde, war es daher fast zwingend, dass Christian IV., König von Dänemark und Norwegen, Arbeitskräfte in Deutschland anwarb. Etwa 500 Ingenieure und Bergleute zogen in den Norden, brachten ihre Sprache und Kultur mit. Noch heute sind die Berufsbezeichnungen im norwegischen Bergbau deutsch, in Kongsberg gab es sogar eine "Segen Gottes Grube". Teile des alten Røros‘ erinnern an die deutschen Arbeitsemigranten des 17. und 18. Jahrhunderts, denn die Grubenarbeiter bauten ihre Häuser so, wie sie es von Daheim kannten: die Höfe fast Wand an Wand, jeder Hof hat zur Straße hin ein Tor, dahinter umstehen Wohnhaus, Scheune und Ställe einen kleinen Innenhof. Eine solche kompakte Bauweise ist an sich ideal für ein raues Land, doch wurde in Norwegen nirgends anders so gebaut, so dass es den Anklang an deutsche Straßendörfer nur in Røros gibt.
In Kongsberg wie in Røros haben zudem deutsche Familiennamen und Dialektausdrücke überlebt. Die große Kirche in Røros beispielsweise trägt den Beinamen Bergstadens Ziir – „Die Zierde der Grubenstadt“, wobei es das Wort „Ziir“ im Norwegischen nicht gibt.

Røros, Foto: C H / visitnorway.com

Oslo und Ålesund

Im neunzehnten Jahrhundert kamen deutsche Architekten und Ingenieure nach Norwegen, die das Gesicht Oslos – das damals noch Kristiania hieß – stark prägten. Doch der deutsche Einfluss auf die norwegische Architektur ist noch umfassender: Norweger, die im neunzehnten Jahrhundert Architekt oder Ingenieur werden wollten, mussten im Ausland studieren, weil es diese Studiengänge in Norwegen nicht gab. Das bevorzugte Land dafür war Deutschland, die bevorzugte Universität die Königliche Technische Hochschule in Berlin. Die deutsche Architektur kam also auf zwei Wegen nach Norwegen. Und so überrascht es nicht, dass an manchen Orten Gebäude oder ganze Straßenzüge an deutsche Städte. Zwei ganz unterschiedliche Beispiele dafür sind Oslo und Ålesund.

Am Fassadenentwurf der Osloer Universitätsgebäude wirkte der preußische Architekt und Stadtplaner Karl Friedrich Schinkel mit, Vorbild für die Karl Johans gate, an der diese Gebäude liegen, war die Ludwigstraße in München. In der zweiten Hälfe des 19. Jahrhundert entstanden ganze Stadtviertel unter der Leitung eines Stadtplaners, der in Hannover und Berlin studiert hatte.

Im Januar 1904 wurde die Fischereistadt Ålesund durch einen Brand völlig zerstört. Die Architekten des Wiederaufbaus hatten zum überwiegenden Teil in Deutschland studiert. Jedes der über 300 neuen Steinhäuser war ein Unikat, gebaut nach der Art des aus Deutschland »importierten« Jugendstils, der allerdings – und das macht das Ensemble weltweit einzigartig – mit norwegischen Baumaterialien und Dekorationen im »Drachenstil« ausgeführt wurde. Eine deutsch-norwegische Besonderheit sind drei Glasmalereien in der 1909 fertig gestellten Kirche von Ålesund. Sie wurden von Kaiser Wilhelm II. persönlich gestiftet.

Ålesund, Foto: Jarand Løkeland

In Süd- und Mittelnorwegen gibt es auffallend viele Holzhäuser im sogenannten Schweizer Stil. Sie sind mit geschnitzten Balkonen, Erkern und Giebeln verziert. Ihr Vorbild war, entgegen ihrer Bezeichnung, süddeutsche Bauernhäuser.
Neben Villen und Hotels wurden auch die ersten Bahnhofsgebäude im sveitserstil erbaut, allein sechzig dieser Stationsgebäude wurden von einem Architekten entworfen, der zehn Jahre lang in Deutschland gearbeitet hatte. Eines der ersten norwegischen »Schweizerhäuser«, um 1840 erbaut, ist das kleine Garde-Wachhaus rechts neben dem königlichen Schloss in Oslo.

Zurück zu Kaiser Wilhelm II. und einer unübersehbaren »deutschen Spur«: 1913 schenkte Seine Majestät der Gemeinde Vangsnes am Sognefjord eine 10,5 Meter große Statue von König Fridtjov dem Tapferen. Sie steht (bis heute) auf einem 12 Meter hohen Sockel und wirkt wie der kleine Bruder des Arminius' vom Hermannsdenkmal im Teutoburger Wald. Ein norwegischer Zeitgenosse kommentierte das Geschenk mit den Worten: „Die Figur ist die größte Seltsamkeit, die dieses Land je gesehen hat, abgesehen vom Kaiser selbst in all seiner Pracht.“

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