Heute präsentieren wir den Schreibtisch des Schriftstellers und Lyrikers Tarjei Vesaas. "Ein Arbeitsplatz mit geheimen Bett", verrät seine Tochter Guri Vesaas der Journalistin Alva Gehrmann.
Als Tarjei Vesaas im Jahr 1934 mit seiner Frau nach Midtbø zog, renovierte das junge Ehepaar erst mal die alte Farm in der Telemark. Sie bauten weitere Fenster ein, fügten zwei Veranden hinzu, strichen die Zimmerwände farbenfroh und sie gestalteten ein paar Möbel. „Mein Vater sagte, wenn er nicht Schriftsteller geworden wäre, wäre er gern Maurer gewesen. Er betrachtete sich auch als recht fähigen Tischler“, erzählt seine Tochter Guri Vesaas bei der Tour durch ihr Elternhaus.
Tarjei Vesaas gilt in seiner Heimat bis heute als einer der bedeutendsten Autoren des 20. Jahrhunderts. Berühmt wurde er vor allem mit Romanen wie „Die Vögel“ und „Das Eis-Schloss“. Seit 1964 vergibt der norwegische Schriftstellerverband jedes Jahr einen nach ihm benannten Debütanten-Preis.
Auf der einsam gelegenen Farm ist alles noch wie früher. Guris Mutter Halldis Moren war Lyrikerin, aber im Gegensatz zu ihrem Mann eine Spätaufsteherin. Tarjei saß manchmal schon morgens um fünf Uhr im Arbeitszimmer an seinem selbstgebauten Schreibtisch mit den kleinen Seitenfächern. Darin liegt wie einst sein Büchlein mit Briefmarken und Zeitungsausschnitten.
Ein Highlight des Schreibraumes ist das geheime Bett mit integriertem Bücherregal und abschließbaren Schrank, das er neben seinem Arbeitstisch aufstellte. An den Seiten des Bettes befinden sich zwei Holzkästen samt Deckel. Diese können wie die Platte in der Mitte herausgezogen werden, darunter liegt die Matratze. Ob der Frühaufsteher dort wirklich schlief, weiß Guri nicht, „aber er hatte sicherlich Freude daran, es zu bauen“.
Von seinem Fenster aus sah Tarjei stets, wenn der Postbote von der 100 Meter entfernten Landstraße kam. Er erhielt viel Post, die er so schnell und knapp wie möglich beantwortete. So ist die Briefwaage auf dem Schreibtisch ein Relikt, ebenso wie das Dalapferd, das ihm ein schwedischer Kollege schenkte. Neu auf dem Arbeitsplatz ist lediglich, dass Guri für Besucher einige Werke aus Tarjeis Œuvre ausgebreitet hat.
Der wichtigste Gegenstand ist seine alte Schreibmaschine – eine Remington. Nachdem der Autor seine Texte mit der Hand geschrieben hatte, tippte er sie mit drei Fingern ab. „Ich glaube, er hörte und schmeckte seine Worte und Sätze, indem er sie mit leiser Stimme murmelte. Und dann folgte das Stakkato, ein langsames Tippen“, erinnert sich Guri, deren Kinderzimmer direkt nebenan lag. Und so wachten sie und ihr Bruder oft zu diesem Sound auf. Im Winter hörten sie außerdem den knisternden Holzofen. „Das zusammen war der sicherste und beruhigteste Klang aller Zeiten. Es sagte: Alles stimmt mit der Welt!“